Das irakische Parlament hat die Wahl eines neuen Regierungschefs erneut aufgeschoben und damit die Krise im Land weiter verschärft. Die Abgeordneten vertagten sich am Dienstag nach rund zwei Stunden auf Donnerstag, ohne über die Besetzung des Amtes zu diskutierten.
Das berichteten irakische Medien. Die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten war am Wochenende noch dringlicher geworden, nachdem die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) im Norden des Landes weitere Gebiete eingenommen hatte. Eine neue Regierung gilt als Voraussetzung, um den IS-Vormarsch zu stoppen.
Seit Wochen lähmt der Streit um den Posten des Ministerpräsidenten die Politik in Bagdad. Der schiitische Regierungschef Nuri al-Maliki ist seit 2006 im Amt und möchte wiedergewählt werden. Sunnitische und kurdische, aber auch schiitische Politiker fordern jedoch seinen Rückzug. Sie geben ihm die Schuld für den IS-Vormarsch.
Präsident Fuad Massum hat laut Verfassung noch bis Donnerstag Zeit, den grössten Block im Parlament mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Al-Maliki erhebt darauf Anspruch, weil seine Rechtsstaats-Allianz bei den Wahlen Ende April als stärkste Kraft abgeschnitten hatte.
Seine Rivalen argumentieren hingegen, dieses Recht stehe der Nationalen Allianz zu. Dabei handelt es sich um ein Bündnis der schiitischen Parteien, zu dem auch Al-Malikis Rechtsstaats-Allianz gehört.
Heftige Kämpfe
Kurdische Einheiten lieferten sich am Dienstag heftige Gefechte mit den Extremisten. Die Peschmerga-Kämpfer wollen die Gebiete nördlich und westlich der Stadt Mossul zurückerobern, die die Terrorgruppe am Wochenende unter Kontrolle gebracht hatte.
Nach kurdischen Angaben konnten die Peschmerga mehrere Orte in der Provinz Sindschar westlich von Mossul zurückerobern. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es nicht. Die IS-Extremisten hatten in der Region neben Ortschaften auch den grössten Staudamm des Landes und zwei Ölquellen eingenommen.
Die umkämpften Gebiete sind das Hauptsiedlungsgebiet der kurdischen Minderheit der Jesiden, Angehörige einer monotheistischen Religion. Zehntausende Menschen sind vor den IS-Extremisten auf der Flucht.
Nach Angaben des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF starben in den vergangenen zwei Tagen 40 jesidische Kinder an den Folgen von Gewalt, Vertreibung und Wassermangel. 25’000 Kinder seien mit ihren Familien in das Sindschar-Gebirge geflohen und bräuchten dringend Hilfe.
Seit dem Beginn ihres Vormarsches Anfang Juni hat die Terrorgruppe grosse Teile im Norden und Westen des Landes eingenommen. Dort geht sie mit rücksichtsloser Gewalt gegen Gegner und Andersgläubige vor. Viele Muslime betrachten die Jesiden als «Teufelsanbeter».