Gegen den Widerstand sunnitischer Parteien hat Iraks Parlament ein Gesetz beschlossen, das die umstrittenen schiitischen Milizen aufwertet. Sie werden damit als offizielle Sicherheitskräfte anerkennt.
Sunnitische Politiker sehen darin einen Rückschlag für die Aussöhnung zwischen Schiiten und Sunniten. Diese gilt als Voraussetzung, um die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) dauerhaft zerschlagen zu können.
Der schiitische Ministerpräsident Haidar al-Abadi betonte am Samstag, das neue Gesetz sei wichtig. Die Milizen würden alle Teile des irakischen Volkes repräsentieren und alle Iraker verteidigen. 208 von 328 anwesenden Abgeordneten stimmten dem Gesetz zu. Der grösste sunnitische Block im Parlament boykottierte die Sitzung jedoch.
Die Schiitenmilizen stehen unter Kommando des Regierungschefs, führen aber ein Eigenleben. Viele sind eng mit dem schiitischen Iran verbunden. Die Milizen haben in ihren Reihen nach eigenen Angaben rund 140’000 Mann. Der Einfluss der bewaffneten Gruppen ist massiv gestiegen, seit der IS 2014 grosse Teile des Landes überrannte und die Soldaten der irakischen Armee vielerorts ohne Widerstand flohen.
Bei der Rückeroberung vieler Gebiete aus der Gewalt der Extremisten waren die Milizen massgeblich beteiligt. Sie gehören auch zu den Kräften, die bei einer Offensive auf die nordirakische IS-Hochburg Mossul vorrücken.
Die Sunniten lehnen diese Beteiligung ab, weil sie befürchten, dass die Milizen ihren Einfluss weiter ausdehnen. Nach der Eroberung der westirakischen IS-Hochburg Falludscha wurden den Milizen Racheakte und Übergriffe auf Sunniten vorgeworfen.
Armee und Polizei ersetzen und unterstützen
Das neue Gesetz erkennt die bewaffneten Gruppen als «Ersatz- und Unterstützungskraft» für Armee und Polizei an. Es gibt ihnen das Recht, Gewalt anzuwenden, um «Sicherheits- und Terrorbedrohungen» abzuwehren. Die Sunniten kritisieren, dass mit dem Gesetz parallele Sicherheitsstrukturen zu Lasten von Armee und Polizei entstehen.
Der führende sunnitische Politiker und irakische Vize-Präsident Usama al-Nudschaifi, sagte, keine Seite dürfe ihren politischen Willen anderen aufzwingen. Das Gesetz störe das Gleichgewicht der irakischen Sicherheitskräfte, erklärte Al-Nudschaifi.
Viele Sunniten im Irak fühlen sich seit langem von der Mehrheit der Schiiten diskriminiert. Das gilt als einer der Hauptursachen für die Unterstützung, die der IS unter Sunniten im Irak findet.