Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat sich einem Zeitungsbericht zufolge vermutlich zehntausende echte Passdokumente beschafft. In Syrien, dem Irak und in Libyen hätten die Extremisten in mehreren Städten die offiziellen Ämter und Behörden übernommen.
Dabei konnten sie Blanko-Pässe erbeuten und wohl auch Maschinen zur Produktion von Ausweisdokumenten, wie die «Welt am Sonntag» unter Berufung auf westliche Geheimdienste berichtete. Sicherheitsbehörden befürchten demnach, dass die Dschihadisten die Pässe auch nutzen, um Attentäter als Flüchtlinge getarnt nach Europa zu schleusen.
Die IS-Miliz betreibe mit den Pässen offenbar auch einen regen Handel und verdiene damit Geld. Solche «echten falschen Pässe» seien schon für tausend bis 1500 Dollar auf dem Schwarzmarkt zu haben.
Der Chef der Europäischen Grenzsicherungsbehörde Frontex, Fabrice Leggeri, sagte der Zeitung: «Die grossen Ströme von Menschen, die derzeit unkontrolliert nach Europa einreisen, stellen natürlich auch ein Sicherheitsrisiko dar.» Die Frontex-Beamten kontrollieren demnach zwar genau, ob Flüchtlinge möglicherweise mit gefälschten oder gestohlenen Papieren einreisen.
«Dennoch ist die Aussagekraft von Flüchtlingspässen aus unserer Sicht sehr begrenzt», sagte Leggeri. In einem Bürgerkriegsland wie Syrien könne niemand garantieren, «dass die Dokumente, die echt aussehen, auch wirklich von einer offiziellen Behörde ausgestellt wurden oder wirklich von dem rechtmässigen Inhaber mitgeführt werden».
Gestohlene Pässe aus Raka
Mindestens zwei der Attentäter der islamistischen Anschlägen von Paris am 13. November sollen Anfang Oktober mit syrischen Pässen über Griechenland in die Europäische Union eingereist sein. Sie sollen dabei Ausweise verwendet haben, die der IS im syrischen Raka gestohlen hatte. In Österreich hatte die Polizei jüngst zwei weitere Verdächtige in einem Flüchtlingsheim in Salzburg festgenommen. Die beiden Männer sollen mit Pässen aus derselben Tranche aus Raka nach Europa gekommen sein.
Nach Informationen der «Welt am Sonntag» übermittelte ein ausländischer Geheimdienst jüngst deutschen Behörden eine Liste mit Pass-Nummern jener Dokumente, die von der IS-Miliz im syrischen Raka erbeutet worden sein sollen. Die Daten seien inzwischen im Schengener Informationssystem eingespeist worden. So solle ein Einsickern weiterer Attentäter verhindert werden.
In Pizzaöfen geschmuggelt
Die IS-Dschihadisten sind aber nicht nur an arabischen Pässen interessiert. Am Flughafen Istanbul wurden vergangene Woche laut türkischen Medienberichten zwei Männer verhaftet, die rund 150 europäische Reisepässe in die Türkei schmuggeln wollten. Die Dokumente waren in kleinen Pizzaöfen versteckt, zusammen mit Kameras und SIM-Karten.
Bei einem der Schmuggler habe es sich um einen Belgier türkischer Herkunft gehandelt, berichtete die «Welt am Sonntag». Beide würden verdächtigt, im IS-Auftrag unterwegs gewesen zu sein.