Im Norden Malis haben islamische Fundamentalisten am Dienstag offenbar zusehends die Oberhand gewonnen. In strategisch wichtigen Städten verhängten die Islamisten nach eigenen Angaben das islamische Scharia-Recht.
Die Islamisten, die zunächst an der Seite der Tuareg gekämpft hatten, vertrieben ihre vormaligen Verbündeten am Montag aus der Stadt Timbuktu. Mit der Unterstützung des Al-Kaida-Anführers Mokhtar Belmokhtar nahmen sie die historische Handelsstadt ein und verhängten dort nach eigenen Angaben islamisches Recht. „Timbuktu hat seine erste Nacht unter der Scharia verbracht“, sagte ein Beamter.
Nach seinen Angaben hatte der Anführer der Islamistengruppe Ansar Dine, Iyad Ag Ghaly, am Montagabend die Imame der Stadt getroffen und ihnen erklärt, er sei nicht gekommen, um Unabhängigkeit zu erlangen, sondern um islamisches Recht zu etablieren. Bewohner der Stadt berichteten, Frauen seien angewiesen worden, einen Schleier anzulegen und keine Hosen mehr zu tragen.
Einführung der Scharia
Während die Tuareg-Rebellen im Norden Malis einen eigenen Staat errichten wollen, wollen die Islamisten in ganz Mali die Einführung der Scharia erzwingen. Innerhalb von wenigen Tagen hatten die verschiedenen schwer bewaffneten Gruppen ohne grossen Widerstand der malischen Armee mit Kidal, Gao und Timbuktu die drei wichtigsten Städte im Norden des Landes eingenommen.
Der französische Entwicklungsminister Henri de Raincourt sagte dem Radiosender RFI am Dienstag, „Rebellenbewegungen“ seien auch rund um die Stadt Mopti im Zentrum des Landes gemeldet worden. Die Stadt liegt an der Grenze zu dem von den Rebellen kontrollierten Norden. Hunderte Menschen flohen bereits aus Mopti.
200’000 Flüchtlinge
Insgesamt sind aufgrund der Kämpfe in Mali allein seit Januar 200’000 Menschen zu Flüchtlingen geworden, wie das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) mitteilte. Etwa die Hälfte davon flüchtete innerhalb der Landesgrenzen, die anderen suchten grösstenteils in den Nachbarländern Zuflucht.
Das malische Militär hatte am 22. März die Regierung von Präsident Amadou Toumani Touré gestürzt und die Macht an sich gerissen. Die meuternden Soldaten verlangten unter anderem eine bessere Ausrüstung für den Kampf gegen die Tuareg-Rebellen.
Am Montag hatte die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas wirtschaftliche Sanktionen gegen die Putschisten verhängt. In der Folge bildeten sich am Dienstag in der Hauptstadt Bamako lange Schlangen vor den Tankstellen. Aus Angst vor Plünderungen schlossen einige Tankstellen bereits am Montagabend.