Der Syrien-Konflikt weitet sich gefährlich aus: Israelische Kampfflugzeuge griffen am Sonntag zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage das Nachbarland Syrien an. Ziel des Luftschlags soll eine Lieferung iranischer Raketen an die libanesische Hisbollah-Miliz gewesen sein.
Syrien sprach von einer «Kriegserklärung» und drohte mit Vergeltung. Damaskus beschuldigte Israel, den Militärstützpunkt Dschamraja im Norden der Hauptstadt angegriffen zu haben.
Ein hochrangiger israelischer Armeeverantwortlicher sagte der Nachrichtenagentur AFP, der Angriff habe einer Lieferung iranischer Raketen für die libanesische Hisbollah-Miliz gegolten. Anwohner berichteten, rund um Damaskus habe es stundenlang Explosionen gegeben.
Ein Diplomat in Beirut sagte AFP, die Angriffe in der Nacht zum Sonntag hätten neben dem Forschungszentrum von Dschamraja einem nahegelegenen Munitionsdepot sowie einer Luftabwehrstellung an der Autobahn von Damaskus nach Beirut gegolten. Es habe unter den Soldaten zahlreiche Opfer gegeben, sagte er.
Schon in der Nacht zum Freitag hatten israelische Kampfflugzeuge nahe dem Flughafen von Damaskus ein Waffenlager bombardiert. Und auch im Januar hatte die israelische Luftwaffe in der Nähe ein Ziel beschossen.
Israels Angst
Laut westlichen Geheimdienstkreisen waren iranische Raketen vom Typ «Fateh 110» für die libanesische Hisbollah das Ziel des Angriffs. Die Islamische Republik ist ein Verbündeter des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad, der seit mehr als zwei Jahren gegen einen Aufstand im Land kämpft.
Israel und Syrien sind zwar verfeindet. Nach einem Krieg vor 40 Jahren ist es an der gemeinsamen Grenze aber vergleichsweise ruhig geblieben. Dagegen hatten die israelischen Streitkräfte vor sieben Jahren mehr als einen Monat lang das Nachbarland Libanon im Kampf gegen die Hisbollah beschossen.
Die Regierung in Jerusalem ist auch besorgt, dass in dem Bürgerkrieg islamistische Rebellen die Depots der syrischen Streitkräfte plündern und die Waffen gegen Israel einsetzen könnten.
Kontrolle verloren
Assad hat die Kontrolle über weite Teile des Nordens und Ostens seines Landes verloren. Syrische Rebellen brachten am Wochenende nach Angaben von Aktivisten auch einen grossen Teil eines Militärflughafens im Norden des Landes unter ihre Kontrolle.
Die Aufständischen hätten den Luftwaffenstützpunkt Minnigh knapp 40 Kilometer nördlich von Aleppo weitgehend erobert, sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Der Kommandant Ali Mahmud und zwei seiner Leibwächter seien am Samstag getötet worden.
Syrien droht mit Vergeltung
Die syrische Regierung forderte nach den jüngsten Luftangriffen auf Damaskus den UNO-Sicherheitsrat zum Handeln auf. Das Aussenministerium schickte ein Schreiben an das oberste UNO-Gremium und an den UNO-Generalsekretär, wie die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete.
Vize-Aussenminister Faisal al-Makdad sprach gegenüber dem US-Nachrichtensender CNN von einer «Kriegserklärung» Israels. Syrien werde zu gegebener Zeit Vergeltung üben.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte am Sonntagabend, die Berichte, wonach Israel Ziele in Syrien angegriffen habe, seien alarmierend. Details lägen der UNO derzeit nicht vor. Alle Seiten seien aber aufgerufen, sich in dem ohnehin schon zugespitzten Konflikt zurückzuhalten und eine Eskalation zu vermeiden.
Ägypten und Iran verurteilten die israelischen Luftangriffe. Sie verstiessen gegen internationales Recht und bedrohten die Sicherheit in der Region. Die Arabische Liga forderte die Vereinten Nationen wegen des Angriffs zum Handeln auf.
Unterstützung von Obama
US-Präsident Barack Obama sprach Israel das Recht zu, Waffenlieferungen an die Hisbollah zu unterbinden, ohne dabei Bezug auf die Angriffsmeldungen zu nehmen. Er überlasse es der israelischen Regierung, diese zu kommentieren, sagte Obama während eines Besuchs in Costa Rica.
Er glaube aber, «dass die Israelis berechtigterweise gegen den Transfer moderner Waffen an terroristische Organisationen wie die Hisbollah vorgehen müssen», sagte Obama.