Paris ist möglicherweise knapp einem weiteren Terrorschlag entkommen. Bei der Jagd auf Drahtzieher der Anschläge vom vergangenen Freitag hoben Elite-Einheiten im Pariser Vorort Saint-Denis eine Terroristenzelle aus. Zwei Personen starben. Es gab acht Festnahmen.
Der fast siebenstündige Anti-Terror-Einsatz im Pariser Vorort Saint-Denis galt dem mutmasslichen Drahtzieher Abdelhamid Abaaoud. Die französische Polizei hatte aus abgehörten Telefonaten Hinweise erhalten, dass sich der Drahtzieher der Terrorserie mit 129 Todesopfern vom Freitag in der Wohnung in Saint-Denis aufhalten könnte. Der meistgesuchte Islamist Belgiens, der für den IS in Syrien gekämpft haben soll, lebte früher in der Brüsseler Islamistenhochburg Molenbeek.
Abdelhamid Abaaoud sei nicht unter den Festgenommenen, sagte der für Terrorismus zuständige oberste Staatsanwalt François Molins an einer Medienkonferenz am Mittwochabend. Auch der international gesuchte Terrorverdächtige Salah Abdeslam sei nicht darunter.
«Washington Post» meldet Tod von Abaaoud
Zugleich betonte Molins, dass ein von Kugeln durchsiebter und in Gebäudetrümmern gefundener Körper noch nicht identifiziert worden sei. Abaaoud, den die Ermittler in der Wohnung vermuteten, könnte also theoretisch tot sein.
Die «Washington Post» berichtete unter Berufung auf Geheimdienstkreise, Abaaoud sei bei der Schiesserei getötet worden. Einzelheiten nannte die Zeitung jedoch nicht.
Die Person, die sich während des Einsatzes selbst in die Luft sprengte, ist nach Darstellung Molins vermutlich eine Frau. Dies müsse aber noch überprüft werden. Acht Personen wurden festgenommen, darunter eine Frau.
Der «sehr schwierige» Zugriff um 4.27 Uhr am Mittwoch in zwei aneinandergrenzenden Wohnungen in Saint-Denis lief nach der Schilderung von Molins mit äusserster Gewalt ab. Die verstärkte Eingangstür habe der Sprengung durch die Polizei zunächst widerstanden. Dies habe den Terroristen ermöglicht, sich auf den Zugriff vorzubereiten. Auf die fehlgeschlagene Sprengung sei fast eine Stunde nahezu ununterbrochenes Dauerfeuer gefolgt.
Allein vonseiten der Polizei seien rund 5000 Schüsse abgefeuert worden, schilderte der Staatsanwalt. Ein Teil des Gebäudes drohe einzustürzen. Fünf Polizisten wurden bei der Auseinandersetzung verletzt.
«Eine neue Gruppe Terroristen wurde neutralisiert und mit Blick auf ihre Bewaffnung, ihre strukturierte Organisation und ihre Entschlossenheit deutet alles darauf hin, dass dieses Kommando zur Tat schreiten konnte», sagte Molins. Laut Polizeikreisen plante die Gruppe einen Angriff auf das Geschäftsviertel La Défense.
«Kumpel aus Belgien»
Abaaoud, der auch mehrere weitere Anschlagsprojekte in Belgien und Frankreich koordiniert haben soll, war bisher in Syrien vermutet worden. Einer der sieben Festgenommenen sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe auf Bitte eines Freundes seit Montag «zwei seiner Kumpel» aus Belgien in seiner Wohnung untergebracht.
Die Wohnung liegt mitten in der Innenstadt von Saint-Denis nahe einer Fussgängerstrasse und gut 20 Minuten zu Fuss vom Stade de France entfernt, wo sich am Freitagabend drei Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt hatten.
Hollande: «Frankreich im Krieg»
Präsident François Hollande sagte, es gebe eine Verbindung zwischen den am Mittwoch Festgenommenen und den Angreifern vom vergangenen Freitag. Der Einsatz in Saint-Denis zeige erneut, dass sich Frankreich «im Krieg befinde» – «einem Krieg gegen den Terrorismus, der gegen uns Krieg führt».
Der Anti-Terror-Einsatz ereignete sich fünf Tage nach den Anschlägen von Paris. Bei dem folgenschwersten Anschlag in der Geschichte Frankreichs hatten drei Gruppen schwerbewaffneter Attentäter die Konzerthalle «Bataclan», eine Reihe von Cafés und Restaurants und das Stade de France attackiert.
Zu den Anschlägen bekannte sich der IS, sieben Angreifer kamen ums Leben. Mindestens ein weiterer Attentäter ist vermutlich auf der Flucht. Die Polizei sucht dringend nach dem 26-jährigen Salah Abdeslam, dessen Bruder unter den Attentätern war. Ein Video deutet zudem darauf hin, dass ein dritter Attentäter in dem Auto war, das bei den Angriffen auf die Cafés und Restaurants benutzt wurde.