Ein mehrfach vorbestrafter Bankräuber aus Italien ist vom Nidwaldner Kantonsgericht zu einer sechsjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er 2013 in Beckenried NW eine Bank überfallen und einen weiteren Überfall im Aargau und in Zürich geplant hatte.
Der 61-jährige Mann aus der Region Neapel wurde vom Kantonsgericht nach einem Indizienprozess wegen Raubes und strafbarer Vorbereitungshandlungen verurteilt. Das Gericht folgte vollumfänglich den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger hatte einen Freispruch und 71’000 Franken Entschädigung verlangt.
Das Kantonsgericht in Dreierbesetzung sah es angesichts zahlreicher Indizien – wie Zeugenaussagen und Analysen von Videobildern – als erwiesen an, dass der Italiener am 25. März 2013 bewaffnet mit einem Komplizen die Kantonalbank in Beckenried überfallen hatte. Dabei wurden drei Bankangestellte gefesselt und im Bad eingesperrt. Die Täter flüchteten mit gut 200’000 Franken Bargeld. Der Komplize ist noch immer auf der Flucht.
Diktafon mit spezifischem Vokabular
Zudem war der Beschuldigte gemäss Gericht im Oktober und November 2013 erneut aus Neapel in die Schweiz eingereist und hatte Banken in den Kantonen Aargau und Zürich ausgekundschaftet. Entsprechende Adresseinträge fand die Staatsanwaltschaft im Navigationsgerät des Mannes.
Als die Polizei den Mann verhaftete, stellte sie in seinem Zimmer in einer Jugendherberge in Zürich unter anderem ein Diktafon mit Banküberfall-Vokabular und Verbrecher-Untensilen sicher.
Das Gericht habe absolut keine Mühe mit den Argumenten des Staatsanwalts und den vorgebrachten Indizien, sagte die vorsitzende Richterin bei der Urteilsverkündung. Sie wies zudem auf Widersprüche und geänderte Aussagen des Angeklagten im Verlauf der Untersuchung hin. Dies würde nicht für die Glaubhaftigkeit des Beschuldigten sprechen. Im Allgemeinen glaube das Gericht nicht an eine solche Vielzahl von Zufällen.
Der Staatsanwalt hatte vor Gericht eine Reihe von Indizien präsentiert, die die Schuld des angeklagten Italieners belegen sollten. Neben dem Diktafon und den Daten im Navigationsgerät zählten Ein- und Ausreisedaten, Zeugenaussagen und Radarfotos dazu.
Verdächtiges Telefon mit der Mutter
Bei der Verhaftung des Mannes fanden die Beamten auch Plastiksäcke einer Apotheke aus der Wohnregion des Angeklagten. Seit der Verhaftung vor gut einem Jahr erhielt der Italiener im Gefängnis zudem Pakete seiner Mutter, die weitere solche Taschen enthielten, wie der Staatsanwalt erklärte. Der Mann habe zudem mit seiner Mutter ein abgehörtes Telefonat geführt und über die Tat gesprochen.
Der Schein eines freundlichen älteren Herren trüge, sagte der Staatsanwalt. Zwischen 1991 und 2007 habe der Beschuldigte in Italien sechs vollendete und zwei versuchte Raubüberfälle verübt. Jedes Mal sei das Objekt seiner Begierde eine Bank gewesen. Die Überfälle in Italien hätten zudem mehrere Parallelen zu jenem in Beckenried.
Die Bank, respektive deren Versicherung, machte vor Gericht einen Schaden von gut 200’000 Franken geltend und forderte zudem rund 6000 Franken für die psychologische Betreuung der betroffenen Bankangestellten.
Italiener akzeptiert Urteil nicht
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Richterspruch sei ein Schock, sagte der Verteidiger der Nachrichtenagentur sda. Sein Mandant werde das Urteil nicht akzeptieren.
Der Angeklagte wies vor Gericht sämtliche Anschuldigungen zurück. Er sei als Kleiderverkäufer in der Schweiz unterwegs gewesen und habe Lokalitäten für eine Pizzeria gesucht. Wo er sich zum Zeitpunkt des Überfalls aufgehalten habe, wisse er nicht mehr.
Der Verteidiger wies von der Staatsanwaltschaft vorgelegte Indizien als «Vermutungen und unzulässige Querverbindungen» zurück. Die nach dem Überfall in der Bank sichergestellten DNA-Spuren würden nicht mit dem Erbgut des Beschuldigten übereinstimmen.
Zeugenaussagen, wonach der Neapolitaner beim Erkunden der Bank beobachtet worden sein soll, seien vage und die Fotos seien aus grosser Distanz aufgenommen worden. Die Überwachungsbilder liessen sich nicht klar seinem Mandaten zuordnen.
Verteidiger: Keine eindeutigen Beweise
Weiter sagte der Verteidiger, dass die bei der Verhaftung des Italieners beschlagnahmte Laptoptasche mit dem Diktafon nicht dem Beschuldigten zugewiesen werden könne. Die Tasche sei im Zimmer einer Jugendherberge in Zürich sichergestellt worden, das der Beschuldigte mit weiteren Personen geteilt habe.
Der Angeklagte hatte zu allen von der Richterin vorgebrachten Indizien eine Erklärung, auch zu den Einträgen in seinem Navigationsgerät mit Adressen in unmittelbarer Nähe zu Banken. Die Schweiz sei schliesslich voller Banken, erklärte er.
Der Beschuldigte erklärte, er stehe lediglich vor Gericht, weil er sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufgehalten habe und vorbestraft sei.