Italiens Premier Enrico Letta hat sein Kabinett gerettet und eine Regierungskrise in Rom in letzter Minute abgewendet. Bei einer spannungsgeladenen Abstimmung im Senat setzte sich der seit knapp fünf Monaten amtierende Regierungschef mit 235 zu 70 Stimmen durch.
Damit sicherte sich der 47-jährige Sozialdemokrat die notwendige Mehrheit, um seinen Regierungskurs fortzusetzen. Letta erhielt wie erwartet auch das Vertrauen von 435 Abgeordneten in der Abgeordnetenkammer. 162 stimmten gegen seine Regierung.
Seinen Amtsverbleib verdankt Letta der überraschenden Kehrtwende seines Koalitionspartners und Widersacher Silvio Berlusconi. Der Medienzar, der am Samstag seine fünf Minister aus dem Kabinett Letta zurückgezogen hatte und damit de facto eine Regierungskrise ausgelöst hatte, vollzog einen Rückzieher und beschloss am Mittwoch, der Regierung im Senat doch das Vertrauen auszusprechen.
«Wir haben – nicht ohne einen gewissen internen Streit – entschieden die Regierung zu unterstützen», erklärte Berlusconi im Senat vor den verblüfften Augen seiner Vertrauensleuten. Mit diesem unerwarteten Schritt versuchte er einen Bruch in seiner Mitte-Rechts-Partei abzuwenden.
23 Senatoren seiner PdL hatten sich vor dem Vertrauensvotum bereit erklärt, mit Berlusconi zu brechen. Sie wollten eine eigene konservative Parlamentsgruppe bilden und Premier Letta weiterhin unterstützen, erklärte PdL-Senator Roberto Formigoni am Mittwochvormittag.
Keine Krise leisten
Die Abtrünnigen begründeten diesen Schritt mit der Tatsache, dass sich Italien keine Krise leisten können. Zu den Rebellen in Berlusconis Lager zählte auch sein engster Verbündeter, PdL-Chef Angelino Alfano.
Die unerwartete Kehrtwende Berlusconis überraschte die «Demokratische Partei» (PD), Lettas Gruppierung. «Berlusconis Rückzieher soll seine klare politische Niederlage verbergen», kommentierte der PD-Fraktionschef im Senat, Luigi Zanda.
Politische Beobachter rechnen damit, dass es trotzdem zu einer Spaltung in Berlusconis PdL kommen wird. «Wir werden die Gründung einer autonomen Gruppe im Parlament vorschlagen», erklärte Formigoni.
«Wir sind überglücklich. Offenkundig waren unsere Argumente überzeugend», sagte PdL-Senator Maurizio Sacconi, der mit Alfano die Front der «Dissidenten» in Berlusconis Partei geführt hatte.
«Berlusconi opfert sich für den Zusammenhalt seiner Partei», sagte Senator Umberto Bossi, Gründer der rechtsföderalistischen Partei Lega Nord und langjähriger Verbündeter Berlusconis.
Letta blickt in die Zukunft
Letta warb im Senat eindringlich um Vertrauen auch im Hinblick darauf, dass das Land im Juli 2014 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Die Zukunft der Regierung müsse unabhängig sein von den juristischen Problemen Berlusconis, mahnte er.
In seiner Ansprache vermied er diplomatisch direkte Angriffe auf Berlusconi. Die Regierung könne ihre Arbeit nur fortsetzen, wenn es eine klare Absprache über die Prioritäten gebe, betonte Letta. Seine Regierung habe in den vergangenen fünf Monaten konstruktive Arbeit geleistet und die Weichen für Wirtschaftswachstum gestellt, sagte er.