Der ehemalige Präsident der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, muss sich ab heute vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag verantworten. Gbagbo werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.
Es ist die erste Anhörung zum Inhalt der Anklage. Erst dann wird das Gericht entscheiden, ob die Beweismittel einen Prozess rechtfertigen.
Im blutigen Kampf um die Macht soll Gbagbo nach den Parlamentswahlen 2010 als „indirekter Mittäter“ für Mord und Vergewaltigung verantwortlich gewesen sein. Die Unruhen brachen aus, nachdem Gbagbo sich geweigert hatte, seine Niederlage anzuerkennen und die Macht an seinen gewählten Nachfolger und alten Widersacher Alassane Ouattara abzugeben.
Mindestens 3000 Menschen starben, ehe Ouattara im Mai 2011 als Präsident vereidigt wurde; Hunderttausende flohen aus dem westafrikanischen Land. Gbagbo wurde schliesslich festgenommen und Ende 2011 nach Den Haag überstellt.
HRW: Einseitige Justiz
„Wir setzen unser Vertrauen in das internationale Recht, damit Gerechtigkeit walten kann“, sagt Joel N’Guessan, Sprecher der Partei von Ouattara.
Human Rights Watch (HRW) spricht jedoch von einer „einseitigen Justiz“ in der Elfenbeinküste: Mehr als 120 Menschen mussten sich wegen Verbrechen während der Machtkämpfe verantworten. „Keiner von ihnen gehört zu den pro-Ouattara Kräften“, hiess es in einem Bericht der Organisation vom März.
Zwar beschuldigen Menschenrechtsgruppen vor allem die Anhänger Gbagbos für schwere Verbrechen. Doch auch Ouattaras Soldaten werden immer wieder Übergriffe zur Last gelegt.
Einparteienstaat befürchtet
Nathalie Kone, Mitarbeiterin einer nichtstaatlichen Organisation in der Elfenbeinküste, fürchtet die Auswirkung eines Prozesses auf die Politik. Gbagbos politische Partei, die FPI, sei in seiner Abwesenheit beinahe zusammengebrochen.
Wenn er verurteilt werde, was wahrscheinlich scheine, könnte das bedeuten, dass es keine grosse Oppositionspartei mehr gebe. „Wir würden Gefahr laufen, ein Einparteienstaat zu werden“, sagte sie. Gbagbo war 2000 Präsident geworden.
Ein Prozess sei ungerecht, sagen Gbagbos Anhänger. Sie wollen heute nach Den Haag gehen und demonstrieren, um der Welt zu zeigen, dass Gbagbo immer noch beliebt sei in der Elfenbeinküste und dass seine Inhaftierung in Den Haag unfair sei, sagt Paulin Sereke, Mitglied der Partei des ehemaligen Staatschefs, der Ivorischen Volksfront (FPI). „Charles Taylors 50-jährige Gefängnisstrafe bereitet uns keine Sorgen.“