Christine Lagarde tritt noch einmal als IWF-Chefin an. Sechs Monate vor dem Ende ihrer Amtszeit gibt die Französin ihre erneute Kandidatur für den Spitzenposten beim Internationalen Währungsfonds (IWF) bekannt. In der Heimat droht ihr derweil ein Gerichtsverfahren.
«Ja, ich bin Kandidatin für eine zweite Amtszeit», sagte die Französin am Freitag dem TV-Sender France 2 beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Sie habe dafür Unterstützung erhalten etwa aus Frankreich, Deutschland, Grossbritannien, China oder Südkorea.
Die 60-Jährige war 2011 erstmals zur IWF-Chefin gewählt worden. Sie folgte auf Dominique Strauss-Kahn, der wegen eines Sex-Skandals von dem Amt zurücktreten musste. Lagardes Amtszeit endet im Juli. Eine mögliche Gegenkandidatur steht bisher nicht in Aussicht.
Die Chefin der mächtigen internationalen Finanzorganisation mit Sitz in Washington ist seit Jahren in ihrem Heimatland Frankreich mit Ermittlungen konfrontiert. Im Dezember entschied eine Untersuchungskommission, dass sie wegen einer umstrittenen Millionenzahlung zu ihrer Zeit als französische Wirtschaftsministerin (2007 bis 2011) vor Gericht muss.
Lagarde hatte angekündigt, diese Entscheidung anfechten zu wollen. Der IWF hatte ihr im Lauf des Verfahrens stets sein Vertrauen ausgesprochen. Es geht um den Verdacht, Lagarde könne während ihrer Tätigkeit als Ministerin in Paris regelwidrig eine Entschädigungszahlung von rund 400 Millionen Euro an Bernard Tapie ermöglicht haben. Der Geschäftsmann hatte sich von der früheren Staatsbank Crédit Lyonnais beim Verkauf seiner Anteile am deutschen Sportartikelhersteller Adidas geprellt gesehen und deswegen geklagt.
Zentrale Figur in der Euro-Schuldenkrise
Bevor Lagarde Chefin des IWF wurde, hatte sie bereits in der internationalen Finanzdiplomatie Karriere gemacht. Von 1999 bis 2004 leitete Lagarde die US-Kanzlei Baker & McKenzie und machte sich als Anwältin einen Namen.
Die zweifache Mutter und frühere Profi-Synchronschwimmerin kam als Quereinsteigerin in die Politik. 2007 holte sie der französische Präsident Nicolas Sarkozy auf den Posten der Wirtschafts- und Finanzministerin, als erste Frau in dieser Funktion.
Die gelernte Juristin, Ökonomin und Amerikanistin mit der charakteristischen weissen Kurzhaarfrisur – 2010 vom Magazin «Time» zu einer der 100 einflussreichsten Menschen der Welt gekürt – hat aber nicht nur Bewunderer.
Krisen-Feuerwehr
Der IWF wurde unter ihrer Leitung zunehmend zu einer Krisen-Feuerwehr nicht nur für Entwicklungsländer, sondern auch für viele unter der Staatsschuldenkrise ächzende Euroländer. Die harten Spar- und Haushaltsauflagen des IWF für überschuldete Staaten wie Griechenland trugen auch der disziplinierten Lagarde Kritik ein.
Sie gilt als gut vernetzte, geschickte Verhandlerin. An der Spitze des IWF ist sie die erste Frau und eine der zentralen Figuren in der Euro-Schuldenkrise. Der IWF gilt neben der Weltbank und der Welthandelsorganisation WTO als eine der mächtigsten Institutionen der Weltwirtschaft.