Die Fäden der EU-Dossiers laufen künftig bei Staatssekretär Jacques de Watteville zusammen. Der Bundesrat hat den bestens vernetzten EU-Kenner am Mittwoch zum neuen Chefunterhändler ernannt.
Die Regierung hatte kurz vor den Sommerferien beschlossen, den neuen Posten zu schaffen. Das bedeutete einen Strategiewechsel, nachdem die Verhandlungen über die verschiedenen EU-Dossiers bisher klar getrennt geführt worden sind. An de Watteville ist es nun, ein «Gesamtergebnis» zu erzielen, wie Aussenminister Didier Burkhalter vor den Bundeshausmedien erklärte.
Ihm kommt vor allem die Rolle eines Koordinators und Ansprechpartners zu. Die direkte Verantwortung für die einzelnen EU-Dossiers liegt nämlich weiterhin bei den zuständigen Departementen. Aber de Watteville könne beispielsweise dafür sorgen, dass man sich in einem Dossier bewege, um in einem anderen weiterzukommen, sagte der Burkhalter.
Arbeit unter Zeitdruck
Der Bundesrat hofft, die stockenden oder noch gar nicht in Gang gekommenen Verhandlungen dadurch rascher vorantreiben zu können. Die Regierung ist unter Zeitdruck, da die Masseneinwanderungsinitiative bis im Februar 2017 umgesetzt werden muss. Gleichzeitig ist die Schweiz mit einem Chefunterhändler gut aufgestellt, falls die verschiedenen Dossiers dereinst zum Paket Bilaterale III geschnürt werden sollten.
Vorerst bleibt de Watteville für seine neue Aufgabe aber an den vom Bundesrat vorgegebenen Verhandlungsrahmen gebunden. Laut Burkhalter bekommt der Chefunterhändler kein neues oder eigenes Mandat.
Hingegen muss er sofort loslegen mit der Arbeit: Noch im Oktober will der Bundesrat die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative zur Kenntnis nehmen und die Eckwerte für eine Botschaft ans Parlament definieren.
Gedämpfte Erwartungen
Bis dahin soll auch die Diskussion mit der EU-Kommission über «Optionen» bei der Personenfreizügigkeit vertieft werden, wie Burkhalter sagte. In welche Richtung dabei diskutiert wird, behielt der Aussenminister weiterhin für sich. Vieles werde in nächster Zeit im Hintergrund ablaufen, sagte auch de Watteville. Rasche sichtbare Ergebnisse seien nicht zu erwarten.
Umgehend will der neue Chefunterhändler jedoch mit den verantwortlichen Verhandlungsführern für die verschiedenen Dossiers zusammenkommen. Dazu zählen insbesondere Staatssekretär Mario Gattiker, der die Gespräche über die Personenfreizügigkeit in Gang zu bringen versucht. Henri Gétaz, Leiter der Direktion für europäische Angelegenheiten, ist für die Verhandlungen über institutionelle Fragen zuständig.
Andere Delegationen verhandeln derweil über Ernährungswirtschaft und Lebensmittelsicherheit, Stromabkommen, Bildung und Forschung, Emissionshandel oder Kultur. De Watteville selber behält das Dossier Finanzdienstleistungsabkommen. Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) im Finanzdepartement führt er nämlich weiterhin. Nur für die neue Funktion ist er künftig dem Aussendepartement EDA unterstellt.
Grosse Erfahrung
Das SIF hatte er Ende 2013 von Michael Ambühl übernommen. Seither ist der Finanzplatz weiter zügig umgebaut worden. Die Einigung im Steuerstreit mit den USA wurde Schritt für Schritt umgesetzt, mit vielen Staaten wurde die Steueramtshilfe erleichtert und der Bundesrat erklärte sich grundsätzlich bereit zum automatischen Informationsaustausch.
Für den Job des Chefunterhändlers hat sich der Staatssekretär aber vor allem durch seine Vertrautheit mit den Strukturen und Abläufen in Brüssel und seinem internationalen Netzwerk qualifiziert. In Brüssel war er 1988 erstmals stationiert. Dort war er an den Verhandlungen über den EWR und das Landverkehrsabkommen beteiligt.
Nach fünf Jahren als Verantwortlicher für Wirtschafts- und Finanzfragen in der Schweizer Botschaft in London leitete er bis 2003 die Abteilung für Wirtschafts- und Finanzfragen im EDA. Danach folgte ein Botschafterposten in Damaskus, bevor de Watteville 2007 erneut nach Brüssel geschickt wurde, diesmal als Missionschef. Auch wenn inzwischen eine neue Kommission am Werk ist, dürfte de Watteville weiterhin von seinen Kontakten in er EU-Schaltzentrale profitieren.
Arbeiten im Pensionsalter
Er war denn auch von Anfang an einer der Favoriten für den Job des «Superdiplomaten». Als Handicap galt jedoch sein Alter: De Watteville würde nächstes Jahr pensioniert. Er habe mit Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf aber ohnehin vereinbart, das SIF bis 2017 zu leiten, erklärte er vor den Bundeshausmedien. Das decke sich mit der EU-Agenda.
EDA-Staatssekretär Yves Rossier hätte die Anforderungen des Bundesrats an den Chefunterhändler ebenfalls erfüllt, wie Burkhalter sagte. Er habe sich jedoch entschieden, sich ganz den laufenden Verhandlungen zu widmen. Zuvor hatte schon Migrations-Staatssekretär Gattiker abgewunken.