Traurig, antriebslos oder unkonzentriert: Depressionssymptome unterscheiden sich stark zwischen Patienten. Nun fanden Schweizer und US-Wissenschaftler heraus, dass der Mangel an unterschiedlichen Botenstoffen im Gehirn jeweils andere Arten von Depressionen verursacht.
Dieser Befund könnte dazu beitragen, dass Antidepressiva künftig besser auf den Depressionstyp abgestimmt werden könnten und dies ihre Wirkung verbessere, wie die Universität Bern am Dienstag mitteilte.
Manche Depressionen entstehen durch einen Mangel am Botenstoff Serotonin im Gehirn, andere durch einen Mangel an Noradrenalin, einem anderen Botenstoff. Bislang konnte die Forschung die beiden Typen nicht unterscheiden, was den Einsatz von Antidepressiva erschwerte. Diese wirken nur auf einen bestimmten Botenstoff.
Das Team um Gregor Hasler von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bern konnte nun erstmals nachweisen, welche Depressionssymptome die einzelnen Botenstoffe auslösen. So treten bei Serotoninmangel eher depressive Stimmung, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit auf, bei Noradrenalinmangel eher Antriebsmangel, Konzentrationsschwächen und Ängstlichkeit.
Für die im Fachjournal «Translational Psychiatry» veröffentlichte Studie haben die Forscher die Resultate zweier Experimente verglichen. Dabei wurden die Speicher im Gehirn für Serotonin respektive Noradrenalin bei Versuchspersonen mit Hemmstoffen künstlich geleert.
Bei ehemals depressiven Patienten traten daraufhin die depressiven Symptome wieder auf, bei Gesunden kamen hingegen keine Symptome vor.
Biologische Unterschiede
Die Forscher massen ausserdem mit bildgebenden Verfahren den Stoffwechsel im Gehirn. Dabei zeigten sich biologische Unterschiede zwischen den Depressionstypen: Serotoninmangel bewirkte einen gesteigerten Stoffwechsel im rechten Stirnlappen und im limbischen System, dem stressregulierenden System des Gehirns.
Ein Noradrenalin-Mangel senkte indes den Stoffwechsel im rechten Stirnlappen, der mit Gefühlsregulation und Entscheidungen in Zusammenhang gebracht wird. Laut den Autoren könnte die Studie dazu beitragen, Testverfahren zu entwickeln, mit denen sich vorhersagen lässt, wie Patienten auf einzelne Antidepressiva ansprechen.
So könnten Patienten genau das richtige und somit wirksame Antidepressivum erhalten, hoffen sie. An der Wirksamkeit von Antidepressiva wird zunehmend gezweifelt: In Studien wirken sie oft nur gleich gut wie ein Scheinmedikament, doch in der Praxis beobachten Ärzte und Patienten oft deutliche und langfristige Besserung.
Die neue Studie könnte diesen scheinbaren Widerspruch aufklären, meint Hasler: «Teilweise haben die Patienten vermutlich nicht reagiert, weil ungeeignete Antidepressiva eingesetzt wurden, die auf den falschen Botenstoff wirkten.»