Die NZZ führt bald eine Paywall ein. Drei Gründe, warum das Unterfangen gelingen könnte. Und warum sich die NZZ an einem davon noch die Zähne ausbeissen wird.
Die NZZ wagt den Schritt: Sie macht im ersten Quartal 2012 alle digitalen Inhalte kostenpflichtig. Es wird der erste ernstzunehmende Versuch in der Schweiz sein, eine Paywall zu errichten.
Es ist ein gewaltiges Projekt, das die NZZ hier zu stemmen versucht, und ein grosses Wagnis. Denn es gibt gute Gründe, anzunehmen, dass die NZZ mit ihrer Paywall scheitern wird.
Leser sind online kaum bereit zu zahlen, wenn sie dasselbe oder ähnliches anderswo kostenlos erhalten. Und das Kostenlosangebot an deutschsprachigen Medien ist reichhaltig. In der Schweiz decken 20Minuten und Newsnet die Nachrichtenlage gut ab (wenngleich man bisweilen über die Qualität streiten kann), im oberen Segment bieten ZEIT Online und die FAZ Online aus Deutschland hervorragende Berichterstattung. Die Lücke für die NZZ im oberen Qualitätssegment mit Schweiz-Bezug ist klein. Sowohl inhaltlich, wie auch bezüglich des Zielpublikums. Die Deutschschweiz, das darf man nicht vergessen, wenn man auf andere Versuche mit Paywalls blickt, ist ein kleiner Markt.
Ich sehe drei Gründe, weshalb die NZZ nichtsdestotrotz eine reelle Chance hat, mit ihrer Paywall Erfolg zu haben.
1. Die Marke NZZ
Keine andere Medienmarke der Schweiz hat die Strahlkraft der Neuen Zürcher Zeitung. NZZ lesen bedeutet immer auch ein Stück weit ein Statement abzugeben. Das Statement lautet: Mir ist Qualität wichtig. Das Standing der NZZ gibt ihr ein zusätzliches Argument neben den Inhalten, die sie tatsächlich anbietet. Bisher sorgte das dafür, dass die NZZ online als besser wahrgenommen wurde, als sie tatsächlich war. In Zukunft könnte es dazu führen, dass eine gute Website als derart gut wahrgenommen wird, dass man dafür sogar zu zahlen bereit ist.
2. Die neue Redaktion
Die NZZ hat gleichzeitig bekannt gegeben, dass sie die Onlineredaktion massiv stärkt, indem die Printredaktion mit der Onlineredaktion zu einer vereint wird. Es wird also nicht bei gleicher Leistung plötzlich Geld für die Inhalte im Netz verlangt, sondern tatsächlich in das Produkt investiert und mehr geboten als bisher. De facto holt die NZZ damit erstmal nur auf gegenüber der Konkurrenz. Ziel wird sein müssen, an ihr vorbei zu ziehen.
3. Der Zusatz «metered»
Eine Paywall, die undurchlässig ist und deren primäres Ziel ist, die digitalen Inhalte für die Printabonnenten exklusiv zu halten, ist chancenlos. Medien leben heute online von der Vernetzung gegen aussen, dass Beiträge verlinkt und geteilt werden können. Die New York Times hat gezeigt, wie eine Paywall funktionieren kann, die offen ist für Besucher via Social Networks und Suchmaschinen. Dass die NZZ offensichtlich diesen Ansatz einer «dosierten Bezahlschranke» (Konrad Weber) verfolgt, lässt hoffen. Hier ist die Handschrift der digitalen Denker im Hause NZZ, namentlich Peter Hogenkamp und die NZZ Labs, deutlich erkennbar.
Alles hängt an der Konvergenz
Der entscheidende der drei Punkte wird nun der zweite sein. Die Marke NZZ ist schon lange etabliert, die richtige Ausgestaltung der Paywall lässt sich in klugen Köpfen ausdenken. Aus einer hochgradig print-affinen (und zu guten Teilen mehr noch: online-aversen) Redaktion eine zu machen, die schlagkräftige, konkurrenzfähige digitale Produkte erstellt, daran wird sich die NZZ ihre Zähne ausbeissen. Zumal der Zeitplan bis zur Lancierung der Paywall sehr sportlich gewählt ist.
Darum ist die Frage vermutlich gar nicht so sehr, ob die Paywall funktionieren wird, sondern ob die redaktionlle Konvergenz gelingt. Falls ja, hat auch die Paywall Chancen.