Für Josef Ackermann braucht eine liberale Wirtschaftsordnung glaubwürdige Unternehmen. Für den bis vor kurzem als Präsident der Versicherungsgruppe Zürich amtierenden Finanzmanager und Ex-Konzernchef der Deutschen Bank ist die 1:12-Initiative der Juso eine Gefahr für Arbeitnehmer mit tieferen Einkommen.
Die Annahme der Initiative, über die die Schweiz am 24. November abstimmt, würde den Wirtschaftsstandort ebenso schwächen wie Vorstösse, welche die Zuwanderung bremsen wollen, sagte Ackermann am Montag während einer Rede in Zürich. «Es ist nicht immer sozial, was im Mantel des sozialpolitisch Populären daherkommt», sagte er.
Ackermann sprach anlässlich der Feier des 75-jährigen Bestehens der Konjunkturfoschungsstelle KOF, die zur ETH Zürich gehört. Das Referat war sein erster Auftritt seit seinem Rücktritt bei der «Zurich» am vergangenen 29. August.
Selbstkritik
Der Ruf nach mehr Eingriffen des Staates in die Wirtschaft entspringe einem tiefen Unbehagen in der Bevölkerung, so Ackermann weiter. Dem müssten glaubwürdige Unternehmen ein Gegenbeispiel entgegensetzen: «Die Mitglieder der Geschäftsleitungen sowie die Mitarbeiter und Angestellten in den Unternehmen – sie alle sind Teil dieser Wirtschaft». Er forderte gelebte Werte, um die Ängste der Bevölkerung zu dämpfen.
Ackermann übte Kritik an der Bankerkaste und auch an sich selbst: Noch Mitte 2007 hätten er und andere Topmanager in einer Phase eines glänzendes Geschäfts das Risiko der verbrieften Hypothekenpapiere aus den USA völlig unterschätzt. Kurze Zeit später wurden die Banken in einen Abwärtsstrudel gerissen, weil diese Finanzpapiere in die Illiquidität fielen.
Für Ackermann ist die Finanzkrise indessen noch nicht vorüber. Wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen Ländern, etwa in der EU, blieben ein Risiko. Wegen der Schwemme an Notenbank-Geld aus Industrieländern zur Bekämpfung der Finanzkrise hätten aber auch die Schwellenländer mit hohen Kapitalzuflüssen über ihren Verhältnissen zu leben begonnen. Nun fliesse Kapital wieder ab, weil namentlich die amerikanische Notenbank den Geldfluss drossle.
«Es ist die tragische Ironie der Geschichte, dass viele Schwellenländer nun in den Strudel der Finanzkrise hineingezogen werden, weil sie es versäumt hatten, rechtzeitig Dämme gegen die gut gemeinte Geldschwemme zu errichten», sagte Ackermann.
Unklare Regulierung
Weiter kritisierte der Ex-Topbanker den «Regulierungs-Tsunami» in der Finanzbranche. Die Auflagen seien international zu wenig koordiniert und widersprüchlich und die Kosten für die Umsetzung seien hoch. Die Geldhäuser würden zwar strengeren Eigenkapitalvorschriften unterworfen, doch bleibe die Bemessung dieser Vorschriften unklar.
Ackermann war vor rund drei Wochen als Präsident der «Zurich» zurückgetreten, nachdem im Folge des Selbstmords von Finanzchef Pierre Wauthier Vorwürfe an seinen Führungsstil laut geworden waren. Ackermann wies alle Vorwürfe zurück.
Er hat nach wie vor Verwaltungsratsmandate inne, beispielsweise beim niederländisch-britischen Mineralölkonzern Royal Dutch Shell. Aus dem Aufsichtsgremium des Industriegiganten Siemens zog sich Ackermann vor gut einer Woche zurück.