Hunderte Anhänger und Gegner des polnischen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk haben ihm am Mittwoch bei seiner Ankunft am Warschauer Bahnhof einen gemischten Empfang bereitet. Tusk sollte in Warschau als Zeuge in einer Geheimdienstaffäre aussagen.
Der EU-Ratspräsident wurde von einer Gruppe von Unterstützern, unter ihnen Ex-Ministerpräsidentin Ewa Kopacz, zum Büro der Staatsanwaltschaft begleitet. Sie liessen den früheren Regierungschef und Vorsitzenden der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) hochleben, schwenkten EU-Fahnen und riefen in Sprechchören «Wir sind mit Dir, Donald» oder «27 zu eins – Tusk hat Kaczynski geschlagen».
Damit spielten sie auf Tusks Wiederwahl als EU-Ratspräsident im März an, welche die nationalkonservative polnische Regierungspartei unter Führung von Jaroslaw Kaczynski verhindern wollte. Tusk wurde jedoch mit den Stimmen aller übrigen 27 Mitgliedsländer wiedergewählt.
Die Gegner des EU-Ratspräsidenten brachen am Warschauer Bahnhof in Schmährufe gegen Tusk aus. Sie hielten Schilder mit Bildern des früheren Ministerpräsidenten in Häftlingskleidung hoch.
Ermittlungen gegen Generäle
Tusk wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeladen, um als Zeuge im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen zwei ehemalige Chefs der militärischen Gegenspionage auszusagen. Bevor der EU-Ratspräsident in seiner nordpolnischen Heimatstadt Sopot in den Zug nach Warschau stieg, bezeichnete er die Vorladung der Staatsanwaltschaft als «Teil einer politischen Hexenjagd».
Die Ermittlungen richten sich gegen zwei Generäle, die während Tusks Amtszeit als Ministerpräsident (2007 bis 2014) an der Spitze des Militärgeheimdiensts standen. Ihnen wird vorgeworfen, ihre Kompetenzen überschritten und ohne Zustimmung der Regierung mit ausländischen Geheimdiensten zusammengearbeitet zu haben. Eine solche Zustimmung sieht das polnische Gesetz über die Aktivitäten der Geheimdienste vor.
Konservativen polnischen Medien zufolge sollen die beiden Verdächtigen kurz nach dem Absturz der polnischen Präsidentenmaschine 2010 in Russland mit dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB ein Abkommen geschlossen haben.
Bei dem Unglück waren der damalige Staatschef Lech Kaczynski und 95 weitere Insassen ums Leben gekommen, darunter zahlreiche ranghohe Vertreter aus Politik und Gesellschaft. Der tödlich verunglückte Staatschef war der Zwillingsbruder von Jaroslaw Kaczynski. Dieser gibt Tusk die «moralische Verantwortung» für den Flugzeugabsturz.