Juncker sieht momentan keine Chance für türkischen EU-Beitritt

Es herrscht dicke Luft zwischen Ankara und der EU – dennoch hat die Türkei ihren Willen bekräftigt, binnen sechs Jahren EU-Mitglied zu werden. Mit klaren Worten erteilte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude-Juncker diesen Plänen eine Absage.

Juncker macht Ankara keine Hoffnungen auf einen baldigen EU-Beitritt: «Die Verhandlungen mit der Türkei werden sich über viele Jahre hinziehen.» (Bild: sda)

Es herrscht dicke Luft zwischen Ankara und der EU – dennoch hat die Türkei ihren Willen bekräftigt, binnen sechs Jahren EU-Mitglied zu werden. Mit klaren Worten erteilte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude-Juncker diesen Plänen eine Absage.

Die Türkei wird nach Ansicht von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude-Juncker in absehbarer Zeit kein Mitglied der Europäischen Union werden. «Die Verhandlungen mit der Türkei werden sich über viele Jahre hinziehen», sagte Juncker in einem am Freitag von der EU-Kommission verbreiteten Interview der «Tiroler Tageszeitung» vom Donnerstag. Derzeit sei das Land weder beitrittsbereit noch beitrittsfähig. Ein absehbares Datum nannte er nicht.

Juncker warnte trotz derzeitigen Spannungen erneut davor, die Beitrittsgespräche mit der Türkei einzustellen. «Wir befinden uns ja nicht nur mit Herrn Erdogan und seiner Regierung im Gespräch, sondern streben eine Gesamtlösung an, die dem türkischen Volk von Nutzen sein wird», sagte er. Zuletzt hatte es unter anderem zwischen Berlin und Ankara einige Verstimmungen gegeben.

Der türkische EU-Botschafter Selim Yenel bekräftigte gegenüber der Zeitung «Welt» in der Freitagsausgabe, dass die türkische Regierung der EU vor dem Jahr 2023 beitreten wolle. Er verwies darauf, dass die türkische Republik im Jahr 2023 100 Jahre alt werde.

«Es wäre die Krönung für mein Land, dann Mitglied der Europäischen Union zu sein», sagte der türkische Diplomat. Sein Land ziele dabei auf eine «vollwertige Mitgliedschaft» ab. Eine EU-Mitgliedschaft würde nach Einschätzung Yenels die Standards in der Türkei in «allen Bereichen» erhöhen – in politischen und wirtschaftlichen Fragen, aber auch im Konsumenten- und Gesundheitsschutz.

Die Türkei ist seit 1999 EU-Beitrittskandidat, 2005 starteten die offiziellen Verhandlungen. Die Gespräche verliefen jedoch schleppend, von 35 Beitrittskapiteln wurden bislang 14 in Angriff genommen.

Aufruf zu Besuch

Mit Blick auf die geplante Visaliberalisierung forderte Yenel Garantien von Seiten der EU: «Wir haben grosse Zweifel, dass die EU die Visumspflicht für Türken wirklich aufheben wird, wenn wir alle dazu notwendigen 72 Bedingungen erfüllt haben», sagte er.

«Wir müssen sicher sein können, dass alle EU-Institutionen einem visumsfreien Reiseverkehr für türkische Bürger am Ende auch zustimmen.» Eine visumsfreie Einreise für Türken ab Oktober sei immer noch möglich, sie müsse aber in jedem Fall noch in diesem Jahr kommen.

Der Visa-Streit hat Auswirkungen auf den Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei. Das im März geschlossene Abkommen sieht vor, dass die Türkei alle auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurücknimmt, deren Asylantrag in Griechenland abgelehnt worden ist.

Im Gegenzug wurde der Türkei eine Aufhebung des Visazwangs in Aussicht gestellt. Die Voraussetzungen dafür sehen viele EU-Politiker wegen der repressiven Reaktion des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf den Putschversuch nicht als gegeben. Ankara droht, das Abkommen platzen zu lassen, wenn der Visazwang nicht fällt.

Auch die Aussichten auf Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen werden von vielen EU-Politikern als gering eingeschätzt – unter anderem wegen der von der türkischen Regierung erwogenen Wiedereinführung der Todesstrafe.

Yenel forderte nach dem gescheiterten Putschversuch europäische Spitzenpolitiker auf, unverzüglich nach Ankara zu reisen. «Sie würden damit die Demokratie in der Türkei unterstützen und zeigen, dass sie verstanden haben, dass die Demokratie bewahrt wurde», sagte er.

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