EU-Kommissionschef Juncker will nach der Aufdeckung umstrittener Steuerpraktiken in Luxemburg den Kampf gegen Steuervermeidung verstärken. Die Kommission werde einen Vorschlag zum automatischen Informationsaustausch bei Steuerabsprachen für Konzerne ausarbeiten.
Steuerkommissar Pierre Moscovici erhielt von der EU-Kommission einen entsprechenden Auftrag. «Ich hoffe, dass die 28 Mitgliedstaaten diesen Ehrgeiz teilen werden», sagte Jean-Claude Juncker an einer kurzfristig anberaumten Medienkonferenz am Mittwoch in Brüssel.
Am Donnerstag werde er ins australische Brisbane zum G20-Gipfel reisen, wo er im Namen der EU-Kommission einen automatischen Informationsaustausch für Tax Rulings vorschlagen werde, sagte der Luxemburger weiter. Denn «Europa ist hier nicht alleine betroffen».
Er bedauere, zu den Enthüllungen in Luxemburg nicht schon früher Stellung genommen zu haben. «Das war ein Fehler», sagte er. Juncker äusserte sich zum ersten Mal zu dieser Affäre.
Verantwortung als Ex-Regierungschef
Zahlreiche Medien hatten letzte Woche darüber berichtet, dass international tätige Konzerne mit Unterstützung der luxemburgischen Behörden Steuerzahlungen in Milliardenhöhe umgehen – mit Hilfe von Tax Rulings.
In diesen Sondervereinbarungen erläutern die Steuerbehörden den Unternehmen, wie die Steuern berechnet werden und welche Vorschriften zur Anwendung kommen. Diese Tax Rulings werden jedoch zur «Steueroptimierung» ausgenutzt.
Die Affäre um die umstrittenen Steuerpraktiken hat den neuen EU-Kommissionspräsidenten unter Druck gesetzt. Denn er war fast zwei Jahrzehnte Finanzminister und Regierungschef Luxemburgs und wird für die Steuerpraktiken mitverantwortlich gemacht. Als früherer Regierungschef trage er für die Steuerpraktiken eine politische Verantwortung, räumte Juncker denn auch ein.
Juncker bestreitet Interessenskonflikt
Der EU-Kommissionschef versicherte, dass es deswegen keinen Interessenskonflikt mit seiner jetzigen Funktion geben wird. Laut Juncker ist es ausserdem innerhalb der EU-Kommission üblich, dass bei Angelegenheiten, die ein EU-Land betreffen, der von dort stammende Kommissar sich nicht dazu äussert.
Juncker trat am Mittwochnachmittag ausserdem im EU-Parlament auf. Die EU-Abgeordneten hatten gefordert, dass sich der neue EU-Kommissionspräsident persönlich zu den Luxemburger Steuerpraktiken äussert.
Mehrere Abgeordnete fordern die Prüfung aller Steuerpraktiken in den EU-Mitgliedstaaten von der Kommission. «Wir brauchen endlich eine gemeinsame europäische Bemessungsgrundlage für die Unternehmensbesteuerung und mehr Transparenz in diesem Bereich», verlangt laut Nachrichtenagentur APA etwa der aus Österreich stammende konservative EU-Parlamentarier Othmar Karas.