Junge Schweizer Moslems gehen selbstbestimmt mit ihrer Religion um

Junge religiöse Schweizer Moslems orientieren sich kaum an Imamen in Moscheen, an Internet-Predigern oder an in der Öffentlichkeit prominent auftretenden muslimischen Organisationen. Eine Studie zeigt, dass sie ihre Religion individuell und kritisch interpretieren.

Für den Glauben junger Muslime in der Schweiz spielen Meinungen von Eltern, Freunden und Vertrauenspersonen in den Moscheegemeinden eine wichtige Rolle. Kleiner als angenommen ist der Einfluss der Imame in den Moscheen oder von Internet-Predigern. (Archivbild) (Bild: sda)

Junge religiöse Schweizer Moslems orientieren sich kaum an Imamen in Moscheen, an Internet-Predigern oder an in der Öffentlichkeit prominent auftretenden muslimischen Organisationen. Eine Studie zeigt, dass sie ihre Religion individuell und kritisch interpretieren.

Forscher der Universität Luzern haben 33 Muslime und 28 Musliminnen im Alter von 15 bis 30 Jahren zu ihrer religiösen Orientierung interviewt. Befragt wurden vor allem die im Schweizer Islam dominierenden Sunniten.

Fast alle Befragte sind praktizierende Moslems. Ihre Eltern waren zwar religiös, hatten sie aber nicht gezielt religiös erzogen. Gemessen an der Realität, sind die praktizierenden Moslems in der Untersuchung übervertreten, genauso wie diejenigen mit einem höheren Bildungsabschluss oder mit türkischen Wurzeln.

Die Befragten interessieren sich aus unterschiedlichen Motiven für die Religion. Der Islam kann eine emotionale Stütze sein, ein Wegweiser durchs Leben oder ein zu befolgendes Regelwerk.

Ein Teil beschäftigte sich dauernd mit dem Islam, bei einem Teil war es ein Sinneswandel. Auslöser für eine vertiefte Beschäftigung mit dem Islam kann ein Todesfall, eine Sinnkrise, eine Reise in ein muslimisches Land oder die Geburt eines eigenen Kindes gewesen sein.

Einschneidendes Minarett-Verbot

Die politischen und gesellschaftlichen Diskussionen in der Schweiz zum Thema Islam brachte viele erst dazu, sich vertieft mit der Religion auseinanderzusetzen. Die Minarett-Debatte sei für viele Befragte einschneidend gewesen, heisst es in der Studie.

Ein Teil der Befragten hatte sich zwischenzeitlich vom Islam distanziert, etwa wegen der Benachteiligung der Frau in islamischen Gesellschaften. Sie konnten den Konflikt mit der Religion lösen, indem sie die Benachteiligung der Frau nicht auf den Islam, sondern auf die Kultur in den Herkunftsländern der Eltern zurückführten.

Bei ihrer Suche nutzen und vergleichen die jungen Muslime unterschiedliche Medien und Angebote. Meinungen von Eltern, Freunden und Vertrauenspersonen in den Moscheegemeinden spielen eine wichtige Rolle, schreiben die Forscher. Kleiner als angenommen sei der Einfluss der Imame in den Moscheen oder der Internet-Predigern. Der persönliche Kontakt sei den jungen Moslems wichtig.

Diese selbstbewusste Auswahl von religiösen Orientierungsangeboten der jungen Muslime sei nicht aussergewöhnlich, sondern typisch für Heranwachsende, heisst es in der Studie. Es gebe einen Trend bei jungen Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund, sich von religiösen Institutionen zu entfernen und Religion individuell anzueignen. Die jungen Muslime seien an diesen Trend angepasst.

Nächster Artikel