Gegen den Chef des französischen Telefonriesen France Télécom-Orange, Stéphane Richard, ist ein Anklageverfahren wegen bandenmässigen Betrugs eingeleitet worden.
Wie die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mitteilte, konnte der 51-Jährige bei einer zweitägigen Vernehmung zu einem umstrittenen Schlichtungsverfahren die Verdachtsmomente nicht ausräumen.
Richard wird vorgeworfen, 2008 als Büroleiter der damaligen französischen Wirtschaftsministerin Christine Lagarde eine aus der Staatskasse finanzierte Entschädigungszahlung von rund 400 Mio. Euro an den schillernden Geschäftsmann Bernard Tapie ermöglicht zu haben.
Dieser hatte sich von der früheren Staatsbank Crédit Lyonnais beim Verkauf seiner Anteile am deutschen Sportartikelhersteller Adidas geprellt gesehen und deswegen geklagt.
Nach Ansicht von Ermittlern hätte es das zu der Entschädigungszahlung führende Schiedsgerichtsverfahren nicht geben dürfen. Als brisant gilt der Fall vor allem, weil Tapie im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2007 den siegreichen Kandidaten Nicolas Sarkozy unterstützte.
Dass Richard wegen der Vorwürfe seinen Chefposten bei Frankreichs grösstem Telekommunikationskonzern aufgeben muss, galt bis zuletzt als unwahrscheinlich, da zahlreiche Anklageverfahren dieser Art im Sande verlaufen.
«Verdächtige Zeugin» Lagarde
Die Regierung teilte allerdings mit, dass das Aufsichtsgremium von France Télécom-Orange in den nächsten Tagen mögliche Konsequenzen prüfen werde. Der französische Staat ist Grossaktionär des Unternehmens.
Lagarde, die heute Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist, war im Mai zwei Tage lang zu den Vorwürfen befragt worden – allerdings nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern von dem für ehemalige Regierungsmitglieder zuständigen Gerichtshof der Republik.
Die Ermittler stuften Lagarde anschliessend als «verdächtige Zeugin» ein. Dies bedeutet, dass Indizien für die Beteiligung an einer Straftat vorliegen, sie aber nicht für ein Anklageverfahren ausreichen.