Nach dem Drama von 2016 starten die drei Toyota-Werkteams als klare Favoriten in den 24-Stunden-Klassiker von Le Mans. Seit 1985 warten die Japaner bei 18 Teilnahmen auf einen Sieg.
Die beiden Schweizer Mitfavoriten Sébastien Buemi (Toyota) und Neel Jani (Porsche) starten am Samstag um 15 Uhr aus den Positionen 2 und 3 ins Rennen. Die Pole-Position holte sich der ehemalige Sauber-Pilot Kamui Kobayashi mit eindrücklichem Streckenrekord (3:14,791).
Er verbesserte die Bestmarke von Neel Jani aus dem Jahr 2015 um über zwei Sekunden. Damit unterstrich Toyota die Favoritenrolle. Die Japaner scheinen bezüglich Speed der Konkurrenz von Porsche einen Schritt voraus und blasen mit drei eingesetzten LMP1-Boliden zum Grossangriff.
Buemis Teamkollege Kazuki Nakajima stellte den Toyota der aktuellen WM-Leader (Buemi, Nakajima und Anthony Davidson) ebenfalls in die Frontreihe – und dies obwohl an Buemis Auto in der zweiten Qualifying-Session zwischenzeitlich der Motor ausgewechselt werden musste. Dahinter folgt das erste Porsche-Trio mit Vorjahressieger Jani und seinen Kollegen André Lotterer und Nick Tandy.
Toyota maximal Zweiter
Fünf 2. Plätze waren die bisherigen Bestergebnisse für den japanischen Automobil-Hersteller. Nun soll es eines der drei Werkteams mit den TS050-Hybrid-Autos richten, den «Fluch von Le Mans» endlich zu besiegen. Das bitterste Drama spielte sich vor einem Jahr ab, als Sébastien Buemis Teampartner Nakajima eine Runde vor Schluss nach 23 Stunden und 58 Minuten in Führung liegend auf der Zielgeraden stehen geblieben war und Neel Jani im Porsche 919 Hybrid den Sieg erbte.
Die Ausgangslage für eine Revanche präsentiert sich verheissungsvoll. Audi hat sich aus der Langstrecken-WM zurückgezogen, Porsche ist nicht mehr so stark wie in den Jahren zuvor, und die ersten zwei Rennen der Langstrecken-WM hat das Team mit Sébastien Buemi gewonnen.
Gute Schweizer Bilanz
Viermal in den letzten sechs Jahren stand beim neben «Indy 500» wohl prestigeträchtigsten Autorennen der Welt, bei dem die doppelte Punktzahl für die WM vergeben wird, ein Schweizer zuoberst auf dem Podest. Vor Janis Triumph hatte Marcel Fässler 2011, 2012 und 2014 zum Siegerteam von Audi gehört. Jetzt will sich auch Buemi bei der 85. Austragung in die Siegerliste eintragen lassen.
Die einzigen Testfahrten auf dem 13,629 km langen Kurs in der Sarthe vor gut zwei Wochen zeigten deutlich, dass Toyota klar zu favorisieren ist. Der frühere Sauber-Fahrer Kamui Kobayashi war mit 3:18,132 Minuten um über vier Sekunden schneller als beim Vergleich ein Jahr zuvor.
Kobayashis Zeit ist umso überraschender, weil auf diese Saison hin aerodynamische Regeln sowie ein Spritverbrauchs-Limit bessere Rundenzeiten verhindern sollten. Doch Toyota hat den TS050 Hybrid stark überarbeitet und so die vermeintliche «Regel-Bremse» praktisch wettgemacht.
Formstarker Buemi
Buemi, der aktuell erfolgreichste Autorennfahrer der Welt mit acht Siegen in zehn Rennen (zwei in den ersten zwei Langstreckenrennen in Silverstone und Spa, sechs in der Formel E), rechnet damit, dass es am Wochenende sogar zu einer internen Stallorder kommen wird. Am liebsten wäre es Buemi natürlich, wenn er selber in Führung liegen würde.
«Ich tue alles für diesen Sieg. Er wäre mehr wert als meine Titel in der Langstrecken-WM und in der Formel E», erklärte der 28-jährige Westschweizer mit der Erfahrung von 55 Formel-1-Rennen für Toro Rosso. Am vergangenen Sonntag flog Buemi zusammen mit seinen bewährten Teamkollegen Anthony Davidson und Nakajima sowie den Fahrern aus den zwei Schwesterteams (Mike Conway/Kamui Kobayashi/Stéphane Sarrazin und Nicolas Lapierre/Yuji Kunimoto/José-Maria Lopez) mit einem Privatjet direkt vom Formel-E-Rennen in Berlin in den Nordwesten Frankreichs.
Jani: «Unsere Chance ist die Konstanz»
Das Porsche-Werkteam Nummer 1 mit Jani und dessen in Le Mans ebenfalls schon siegreichen neuen Teamkollegen Lotterer (dreimal mit Audi) und Tandy (einmal mit Porsche) setzt in diesem Jahr auf die Zuverlässigkeit des 919 Hybrid, um den 19. Gesamtsieg realisieren zu können. «Unsere Chance kann nur die Konstanz sein», erklärte der 33-jährige Seeländer Jani. «Vor allem nachts, wenn es dunkel wurde, waren wir in den letzten Jahr immer schneller als die Konkurrenz. Und in Le Mans kann auch wegen den zum Teil ärgerlichen Amateuren in den anderen Klassen immer viel passieren.»
Jani reiste nach seinem (glücklichen) Sieg vor einem Jahr «ohne Druck» nach Le Mans. «Ich fahre als Titelverteidiger mit der Nummer eins. Ich bin Weltmeister. Also ist alles, was noch kommt, eine schöne Zugabe.» Besonders genossen hat Jani die Zeremonie am Dienstag, als er als Vorjahressieger seinen Handabdruck in der «Walk of fame» in Le Mans verewigen durfte. «Auf einer Stufe mit so vielen berühmten Rennfahrern zu sein ist schon sehr speziell und macht mich stolz.»