Der Kanton Bern sollte die Aufsicht über die Heime vereinheitlichen und das Pflegepersonal beim Thema sexueller Missbrauch sensibilisieren. Das empfehlen die Experten, die nach sexuellen Übergriffen eines Pflegers auf über 100 Kinder die Heimaufsicht untersucht haben.
Dieser Missbrauchsfall sorgte vor rund einem Jahr für Schlagzeilen. Ein damals 54-jähriger Sozialtherapeut aus dem Kanton Bern gestand im Februar 2011, sich in den letzten drei Jahrzehnten an Heimbewohnern und Kindern vergangen zu haben. Die Übergriffe ereigneten sich mehrheitlich in bernischen Heimen.
Der Berner Rechtsprofessor Markus Müller sprach am Montag vor den Medien von einem komplexen System für die Heimaufsicht. Durch die verschiedenen Stellen entstehe eine Aufsichtskaskade. Ausserdem ist im Kanton Bern die Zuständigkeit auf zwei Direktionen aufgeteilt.
Der Rechtsprofessor empfiehlt dem Kanton grundsätzlich eine Regelung für die Heimaufsicht. Die Devise müsse lauten: vereinheitlichen, vereinfachen und konzentrieren.
Geeignetes Personal finden
Monika Egli-Alge, Geschäftsführerin des Forensischen Instituts Ostschweiz, stellte bei den Konzepten der Heime im Kanton Bern grundsätzlich einen hohen Standard fest. Diese Konzepte geben etwa vor, dass man bei offener Tür oder jeweils zu zweit arbeiten soll.
Das Problem ist laut Egli-Alge jedoch die Umsetzung der guten Ideen. Das habe etwa damit zu tun, dass es sehr schwierig sei, geeignetes Pflegepersonal zu rekrutieren, sagte Egli-Alge. In der Weiterbildung empfiehlt sie, einen Schwerpunkt zum Thema Nähe und Distanz zu etablieren.
Neues Modell prüfen
„Wir sind dankbar für die differenzierten Analysen“, sagte der bernische Gesundheits- und Fürsorgedirektor Philippe Perrenoud. Das Jugendamt, das Alters- und Behindertenamt sowie das Sozialamt hätten den Auftrag erhalten, ein Modell zur Neuorganisation der kantonalen Aufgaben in der Aufsicht der Heime auszuarbeiten.
Justizdirektor Christoph Neuhaus betonte, die festgestellten Mängel in der rechtlichen Regelung seien nicht verantwortlich für den gravierenden Missbrauchsfall. Dennoch sei es richtig und erforderlich, die Verbesserungen umgehend an die Hand zu nehmen.
„Nicht richtig hingeschaut“
Der Heimverband Bern (HVBE) unterstützt die Forderung nach klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen. Ausserdem habe man eine Ausbildungsoffensive zu Themen der Personalrekrutierung gestartet, nachdem der Missbrauchsfall bekannt geworden sei, sagte HVBE-Geschäftsführer Ueli Affolter.
Denn wie Affolter sagte, wurde in diesem Fall „nicht richtig hingeschaut“. Referenzen seien nicht richtig eingeholt oder Arbeitszeugnisse nicht richtig gedeutet worden.