Die Berner Kantonsregierung hat eine heikle Diskussion angestossen: Sie will das traditionell enge Verhältnis zu den Landeskirchen lockern. Pfarrer sollen künftig nicht mehr Angestellte des Kantons, sondern der Kirche sein. Letztere warnt vor einer reinen Sparübung.
Obschon die meisten Landeskirchen nicht eben von Kirchgängern überrannt werden, gehören nach wie vor drei Viertel der Bernerinnen und Berner einer Landeskirche an. Bern ist zusammen mit Schaffhausen mittlerweile der einzige, sehr deutlich reformierte Kanton der Schweiz.
Eine vollständige Trennung von Kirche und Staat würde vor diesem Hintergrund im Kanton Bern politisch kaum Mehrheiten finden, sagte der bernische Kirchendirektor, Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) am Freitag vor den Medien.
Die Berner Kantonsregierung hält es für sinnvoller, das historisch bedingte, enge Verhältnis zwischen Kirche und Staat stufenweise zu lockern. Die Landeskirchen sollen autonomer werden. Dies gilt besonders für personelle Fragen und die Festlegung der pfarramtlichen Versorgung.
Neue Finanzierung
Für die Finanzierung der Landeskirchen soll ein neues System ausgearbeitet werden. Im Moment stehen für den Regierungsrat Lastenausgleichs- und Beitragsmodelle im Vordergrund.
Von einem heissen Eisen möchte der Kanton vorderhand die Finger lassen: ein Gesetz, das die Voraussetzungen für die öffentlich-rechtliche Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften schafft.
Das Thema sei schlicht zu emotionsgeladen und ein Gesetz hätte beim Volk keine Chance, vermutete Neuhaus. Das möge hasenfüssig erscheinen, räumte Neuhaus ein. Sein Ansatz sei aber «politrealistischer».
Untätig wolle die Regierung in diesem Bereich ja nicht bleiben, betonte Neuhaus. Der Regierungsrat will prüfen, wie allenfalls Religionsgemeinschaften integriert und gefördert werden können, die gesellschaftlich relevante Leistungen erbringen.
Diskussion ist eröffnet
Den Überlegungen der Kantonsregierung liegt eine externer Bericht zugrunde, der das historisch gewachsene, komplexe Verhältnis zwischen Kirche und Staat ausleuchtet.
Die darauf basierenden Vorschläge der Regierung gehen nun in die Debatte, namentlich bei den Kirchen. Das Berner Kantonsparlament soll im kommenden September den Bericht diskutieren. Nimmt ihn der Grosse Rat zur Kenntnis, wird die Regierung die Totalrevision des Kirchengesetzes in Angriff nehmen.
Kirchen üben Kritik
Die drei bernischen Landeskirchen sind bereit, über ihr Verhältnis zum Staat zu diskutieren. Sie warnen aber vor einer neuen «Hauruck-Übung», die nur den Sparinteressen des Kantons diene.
Das machten reformierte, katholische und christkatholische Kirchenvertreter am Freitag an einer gemeinsamen Medienkonferenz in Bern deutlich. Den Expertenbericht bezeichneten sie als gute Diskussionsgrundlage, die Schlussfolgerungen des Regierungsrats als enttäuschend.
Zahlreiche Modelle
Die Schweiz kennt sehr unterschiedliche Modelle im Verhältnis von Kirche und Staat: von einer engen Verflechtung, wie etwa in Bern oder im Wallis bis hin zu einer weitgehenden Trennung von Kirche und Staat, wie in Neuenburg oder Genf.
Der Kanton Bern war nach der Reformation ein Kirchenstaat mit der Reformierten Kirche als Staatskirche. Die Religionsfreiheit war unbekannt und die Pfarrpersonen gehörten zur Obrigkeit, wachten über Sitten und vertraten Entscheidungen der Regierung. Dies änderte sich mit dem Ende des Ancien Régime 1798.
Mit dem Wiener Kongress von 1815 erhielt Bern mit dem Jura einen katholischen Kantonsteil. Mit der stufenweisen Liberalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft änderte sich auch das Verhältnis von Kirche und Staat. Bis heute sind die historisch gewachsenen Verflechtungen aber zahlreich.