Der Kanton Waadt lässt bei Dublin-Fällen häufig die Fristen verstreichen. Dies zieht hohe Folgekosten nach sich, warnt das Staatssekretariat für Migration (SEM) in der aktuellen Asylstatistik.
Gemäss Dublin-System kann ein Asylsuchender in jenes Land überstellt werden, in welchem er als erstes um Asyl ersucht hat. Allein in den letzten drei Monaten konnte die Schweiz so gut 1100 Personen in ein anderes Land überstellen. Zuständig für die Rückführungen sind die Kantone. Und diese erfüllen ihre Aufgabe sehr unterschiedlich, wie die «NZZ» und «Radio SRF» am Mittwoch berichteten.
Schweizweit haben es die Kantone zwischen Mai 2015 und April 2016 in 224 von insgesamt 3023 Fällen verpasst, einen Asylsuchenden fristgerecht in den zuständigen Dublin-Staat zu überstellen. Mehr als die Hälfte der Fälle geht auf das Konto des Kantons Waadt. 140 Mal liess der Kanton die Dublin-Frist verstreichen, 144 Rückführungen wurden fristgerecht durchgeführt.
Zum Vergleich: Über die Hälfte der Kantone haben die Rückschaffungs-Frist im gleichen Zeitraum nie oder nur einmal verpasst. Der Kanton Zürich mit den schweizweit grössten Fallzahlen hat von 584 Dublin-Verfahren nur sechs nicht fristgerecht erledigt. Etwas höher, aber weit von jenen aus der Waadt entfernt, sind die Zahlen in der Westschweiz: Genf konnte 161 von 188 Personen an einen anderen Dublin-Staat überstellen, in Neuenburg waren es 17 von 34.
Nach Ablauf der Frist wird die Schweiz für das Asylgesuch zuständig. Sie muss ein Asylverfahren durchführen und die dabei anfallenden Kosten übernehmen.
Waadt tickt anders
Der Leiter des Waadtländer Amtes für Bevölkerung, Steve Maucci, zeigt sich auf Anfrage nicht überrascht, dass die Waadt mit einer hohen Anzahl nicht erfolgter Rückschaffungen heraussticht. Er begründet das mit verschiedenen Faktoren.
Zum einen konzentriere sich der Kanton Waadt auf die Ausschaffung krimineller Ausländer. Gebe es in einem Flugzeug einen Platz frei und man habe einen kriminellen Ausländer sowie eine Dublin-Rückschaffung, falle die Wahl immer auf die Person, die straffällig geworden sei, sagte Maucci.
Zum anderen gebe es in der Waadt einen anderen politischen Kontext zu den Dublin-Rückschaffungen und dem Thema Asyl. So wurde im Kantonsparlament eine Resolution verabschiedet, die vor allem bezüglich den Ausschaffungen nach Italien für Zurückhaltung plädiert.
In der Region Lausanne setzen sich zudem mehrere Flüchtlingskollektive gegen die Dublin-Rückschaffungen ein. In Lausanne etwa wurde eine Kirche besetzt, um die Rückschaffung von Asylbewerbern nach Italien zu vermeiden.
Diesbezüglich sieht Maucci auch eine kulturelle Differenz im Vergleich zur Deutschschweiz, wo diese Rückschaffungen gemäss Dublin-System weniger umstritten seien.
Zudem brauche es im Kanton Waadt 24 Stunden nach einer Festnahme stets ein Urteil eines Richters, um eine Person in Ausschaffungshaft zu setzen. In den anderen Kantonen könne eine Person ohne Urteil während 96 Stunden inhaftiert werden.
Sanktionen möglich
Auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Kantonen verweist auch das SEM in den Ausführungen zur Asylstatistik. So gebe es unter anderem verschiedene Zwangsmassnahmengesetze. Unterschiede gebe es ebenso bei der Gerichtspraxis und der zur Verfügung stehenden Anzahl Plätze für die Ausschaffungshaft.
Das Staatssekretariat für Migration sei im Gespräch mit allen Kantonen, sagte SEM-Sprecherin Léa Wertheimer gegenüber «Radio SRF». In Zukunft sei es auch möglich, Kantone zu sanktionieren, wenn sie ihrer Pflicht nicht nachkommen.