Die Kantone begrüssen den Vorschlag des Bundes, Jodtabletten vorsorglich auch an diejenigen Personen zu verteilen, die mehr als 20 Kilometer von einem Atomkraftwerk entfernt wohnen. Sie fordern aber, dass die AKW-Betreiber für die Kosten aufkommen.
Noch unter dem Eindruck der Atomkatastrophe in Tschernobyl verteilte der Bund 1993 erstmals Jodtabletten an die Bevölkerung, die in unmittelbarer Nähe eines Atomkraftwerks wohnte. Später wurde diese Massnahme ausgedehnt auf alle Haushalte im Umkreis von 20 Kilometer rund um ein AKW.
Nun will der Bund auch die Versorgung der restlichen Bevölkerung verbessern, damit sie im Falle eines schweren AKW-Unfalls besser geschützt ist. Werden die Jodtabletten rechtzeitig eingenommen, verhindern sie, dass sich radioaktives Jod in der Schilddrüse anreichert.
12-Stunden-Frist kann oft nicht eingehalten werden
Bisher werden die Jodtabletten ausserhalb des 20-Kilometer-Radius (Zone 3) nicht an die Bevölkerung verteilt, sondern von den Behörden dezentral eingelagert. Bei einer AKW-Katastrophe müssen die Kantone in der Lage sein, die Tabletten innerhalb von zwölf Stunden an die Bevölkerung abzugeben.
Doch eine Überprüfung brachte ans Licht, dass in vielen Kantonen diese Frist nicht eingehalten werden kann. Um dieses Problem zu lösen, schlägt das Eidg. Departement des Innern (EDI) eine Teilrevision der Jodtabletten-Verordnung vor: Künftig sollen die Jodtabletten auch in der Zone 3 an die Bevölkerung abgegeben werden, wenn sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Zeit verteilt werden können.
Die Kosten für die Verteilung sollen die Kantone tragen. Diese können zudem entschieden, ob sie die Jodtabletten an die Bevölkerung verteilen oder ob die Bewohner sie selbst abholen müssen. Die Änderung soll per 1. Januar 2014 in Kraft treten.
Kantone verweisen auf das Verursacherprinzip
Im Rahmen der Anhörung, die sich vor allem an die Kantone richtete, begrüsste die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) den Vorschlag des Bundes. Die Teilrevision sei ein erster Schritt, um den Schutz in der Zone 3 zu verbessern.
Die Einnahme von Jodtabletten im Umkreis von 100 Kilometern rund um ein Atomkraftwerk könne notwendig sein, schreibt die GDK. Dies habe sich im Rahmen der Überprüfung des Notfallschutzes bei Extremereignissen im Nachgang zur Atomkatastrophe in Fukushima gezeigt.
Die Kantone wehren sich allerdings dagegen, dass sie zur Kasse gebeten werden. Bezahlen müssten die Verteilung der Jodtabletten die AKW-Betreiber, da sie die Verursacher seien, fordert die GDK in ihrer Stellungnahme. Schätzungen zufolge belaufen sich die Kosten einer vorsorglichen Verteilung laut GDK auf 1.50 Franken pro Person.
Die Atomkraftwerkbetreiber sollen nach Ansicht der GDK im Umkreis von 100 Kilometer um ein AKW überhaupt für alle anfallenden Kosten aufkommen. So beispielsweise auch für die Entsorgung der Tabletten nach deren Verfall sowie für die Information der Bevölkerung. Ausserhalb dieses Umkreises solle der Bund für die Kosten aufkommen, welche die AKW-Betreiber nicht decken.
Die Kantone wollen zudem selber bestimmen können, wie rasch sie die Jodtabletten an Neuzuzüger verteilen. Der Entwurf des EDI sieht eine Frist von vier Wochen vor. Die Kantone schlagen stattdessen vor, dass sie die «zeitgerechte Verteilung» selbst regeln können.
Tablettenaustausch steht an
Wer im Umkreis von weniger als 20 Kilometern eines Atomkraftwerks (Zonen 1 und 2) wohnt, erhält nächstes Jahr neue Jodtabletten. Denn die im Jahr 2004 verteilten Jodtabletten müssen ausgetauscht werden, wie das EDI im erläuternden Bericht zum Verordnungsentwurf schreibt.
Der Tablettenaustausch findet im Sommer/Herbst 2014 statt. Die gesamten Kosten in der Höhe von 10 Millionen Franken müssen die AKW-Betreiber bezahlen.
Die Einnahme von Kaliumiodidtabletten – wie sie korrekt heissen – wird bei einem Störfall, bei dem radioaktive Stoffe freigesetzt werden, von den Behörden angeordnet. Die Tabletten verhindern, dass sich radioaktives Jod, das über die Atemwege aufgenommen wird, in der Schilddrüse anreichert. Die Tabletten bieten allerdings keinen allgemeinen Schutz gegen Strahlung, die von aussen auf den Körper einwirkt.