Mehr als zweieinhalb Jahre nach Beginn des Prozesses gegen Radovan Karadzic hat der frühere bosnische Serbenführer einen juristischen Etappensieg errungen. Der UNO-Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien sprach Karadzic in einem Fall vom Vorwurf des Völkermordes frei.
Die Anklage habe nicht genug Beweise vorgelegt, dass es sich bei der Vertreibung und Tötung von muslimischen Bosniern und Kroaten Anfang der Neunzigerjahre um Völkermord gehandelt habe, erklärte der Vorsitzende Richter Oh-Gon Kwon zur Begründung.
Zehn weitere Anklagepunkte zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnien-Kriegs (1992-95) blieben allerdings bestehen. Unter anderem muss sich der 67-Jährige wegen des Massakers in Srebrenica verantworten, bei dem im Juli 1995 etwa 8000 muslimische Jungen und Männer verschleppt und getötet wurden.
Das UNO-Tribunal entschied wiederholt, dass es sich bei dem Massaker von Srebrenica um Völkermord handelte. Insgesamt starben im Bosnien-Krieg etwa 100’000 Menschen. Rund 2,2 Millionen Menschen wurden obdachlos.
Karadzic muss sich seit Oktober 2009 vor dem Haager Tribunal verantworten. Er war im Juli 2008 in der serbischen Hauptstadt Belgrad gefasst worden, nachdem er sich 13 Jahre lang versteckt gehalten hatte. Vor zwei Wochen forderte Karadzic in Den Haag seinen Freispruch in allen elf Anklagepunkten.
Seselj erneut verurteilt
Am Donnerstag verurteilte das UNO-Tribunal in Den Haag auch erneut den serbischen Ultranationalisten Vojislav Seselj wegen Missachtung des Gerichts. Der ebenfalls wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagte 57-Jährige wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt.
Er habe vertrauliche Informationen über geschützte Zeugen veröffentlicht, befand das Gericht. Die Informationen fänden sich auf seiner Internetseite, Seselj habe sie trotz Aufforderung durch das Gericht nicht entfernt. Es ist bereits das dritte Mal, dass er wegen Missachtung des Gerichts verurteilt wurde.
Im Hauptverfahren in Den Haag muss sich Seselj seit 2006 unter anderem wegen Verbrechen in Bosnien und Kroatien während der Jugoslawien-Kriege zwischen 1991 und 1993 verantworten. Die Anklage fordert 28 Jahre Haft für Seselj, der sich in Den Haag selbst verteidigt.