Der vor dem Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien angeklagte frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic will vom Massaker von Srebrenica nichts gewusst haben. Karadzic habe von der Hinrichtung tausender muslimischer Männer und Jungen im Juli 1995 «nicht gewusst», sagte sein Anwalt Peter Robinson.
Es gebe auch nicht den geringsten Beweis dafür, dass der Angeklagte die Massenexekutionen geplant oder angeordnet habe, sagte Robinson während seines Schlussplädoyers am Donnerstag in Den Haag weiter. Karadzic ist in elf Anklagepunkten wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkrieges angeklagt.
Die Anklage hatte am Montag in ihrem Schlussplädoyer erklärt, sie halte jegliche Zweifel an der Schuld Karadzics für ausgeräumt. Er sei eindeutig die «treibende Kraft» hinter «ethnischen Säuberungen» im Bürgerkrieg und dem Massaker von Srebrenica gewesen, sagte Chefankläger Alan Tieger.
Robinson widersprach entschieden: Die Vorfälle seien vor Karadzic verheimlicht worden, «und deshalb ist er nicht des Völkermordes schuldig». Am Mittwoch hatten Karadzic und seine Verteidigung ihr Schlussplädoyer begonnen. Schon vorher hatte der 69-jährige Angeklagte erklärt, er fordere einen Freispruch.
Mit einem Urteil wird nicht vor dem Ende des kommenden Jahres gerechnet.
Rund 100’000 Tote
Insgesamt wurden im Bosnienkrieg der Jahre 1992 bis 1995 etwa 100’000 Menschen getötet und mehr als zwei Millionen vertrieben. Allein bei dem als Völkermord eingestuften Massaker von Srebrenica im Juli 1995 wurden etwa 8000 muslimische Jungen und Männer verschleppt, getötet und in Massengräbern verscharrt.
Karadzic gilt als Drahtzieher des Verbrechens. Er war im Juli 2008 in der serbischen Hauptstadt Belgrad gefasst worden, nachdem er sich 13 Jahre lang versteckt gehalten hatte.