Die Menschen in der von Rebellen besetzten syrischen Grossstadt Aleppo haben kaum noch Chancen auf eine Evakuierung. Die UNO gibt den Plan auf, Kranke und Verletzte aus dem umkämpften Osten Aleppos herauszuholen.
Dies kündigte der UNO-Nothilfekoordinator Stephen O’Brian am Dienstag an. Regierungstruppen und Rebellen hätten Evakuierungen sowie die Lieferung von medizinischen und anderen Hilfsgütern verhindert. Während der dreitägigen einseitigen russischen Feuerpause in der vergangenen Woche habe kein einziger Kranker aus Aleppo herausgebracht werden können.
Es mache ihn wütend, dass das Schicksal der Kranken, Verletzten, Kinder und Alten, die dringend auf Hilfe angewiesen seien, zum Spielball von Parteien mit engstirnigen politischen und militärischen Interessen geworden sei, sagte O’Brian. «Wieder einmal hat die politische und militärische Logik in Syrien über die elementare Menschlichkeit gesiegt.»
Die UNO hatte geplant, während der dreitägigen Feuerpause Hilfseinsätze nach Aleppo zu starten. Sie hatten aber von den Kriegsparteien keine Zusicherung für sicheres Geleit erhalten. Neben der UNO waren das Rote Kreuz, der syrische Rote Halbmond und weitere Hilfsorganisationen an dem Vorhaben beteiligt.
Moskau: Sechs Korridore offen
Dagegen erklärte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow, es seien immer noch sechs Korridore aus dem Osten Aleppos offen. Rund 50 Frauen und Kinder seien noch am Montagabend aus den eingekreisten Stadtteilen von russischen Offizieren heraus eskortiert worden.
Der Sprecher wies Berichte zurück, die Angriffe auf Aleppo seien wieder aufgenommen worden: «Flüge der russischen und syrischen Luftwaffe über Aleppo sind in den vergangenen sieben Tagen vollständig eingestellt worden.»
Dagegen haben Bewohner und die oppositionelle Beobachtungsstelle erklärt, seit Samstag gebe es wieder Luftangriffe und Artilleriebeschuss auf Aleppo. Die Beobachtungsstelle teilte weiter mit, am Dienstag habe es Luftangriffe am westlichen Rand Aleppos gegeben.
Russische Flotille unterwegs
Unterdessen warnte das westliche Militärbündnis NATO, Russland könne seine Einsatzkräfte verstärken. Eine Flottille mit dem Flugzeugträger Admiral Kusnezow sei auf dem Weg im Atlantik zur Meerenge von Gibraltar mit dem Ziel östliches Mittelmeer. Die Kampfgruppe könnte eingesetzt werden, um die Angriffe aus Aleppo zu verstärken, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Unterdessen riefen mehr als 80 Menschenrechts- und Hilfsorganisationen dazu auf, die Wiederwahl Russlands in den UNO-Menschenrechtsrat zu verhindern.
Human Rights Watch, CARE International, Refugees International und viele andere Unterzeichner forderten am Montag die UNO-Mitglieder auf, sich zu fragen, ob Russlands Rolle im Syrien-Krieg mit einem Sitz im Gremium zur Wahrung der Menschenrechte vereinbar sei. Am Freitag soll über die Neubesetzung von 14 der 47 Sitze im UNO-Menschenrechtsrat ab 2017 bestimmt werden.