Gegen Tschechien spielen die Schweizer Handballer heute Abend und ein zweites Mal vier Tage später bereits um ihre letzte minimale EM-Chance.
Rolf Bracks Bilanz als Coach der SHV-Auswahl ist keine gute. 17 von 22 Länderspielen hat der deutsche Uni-Dozent seit seinem Amtsantritt im vorletzten Dezember verloren. Wäre er für das Fussball-Nationalteam verantwortlich, käme eine Weiterbeschäftigung nicht mehr infrage. In der nationalen Handball-Szene gelten andere Kriterien. Der Aufbau ist das ewige Ziel, von einer internationalen Annäherung ist die Rede.
Unter Druck wird der frühere Bundesliga-Trainer deshalb nicht geraten. Das Comeback an einer Endrunde seit der Heim-EM 2006 verlangt niemand ernsthaft von Brack. In der Gruppe mit den weltweit praktisch unschlagbaren Franzosen, Mazedonien und Tschechien sind die Schweizer nichts anderes als krasse Aussenseiter. Auf relevantem EM-Ausscheidungsniveau sind sie notabene seit 15 Partien in Folge sieglos.
Andy Schmid, der einzige Schweizer Professional von europäischem Top-Format, attestiert Brack, frischen Wind ins Team gebracht zu haben. Er sei unbestritten ein Fachmann mit unkonventionellen Methoden, «die in unserem Fall vielleicht hilfreich sein könnten. Aber David Copperfield ist auch er nicht».
Schmids Abwägung
Der MVP der vergangenen Bundesliga-Saison beschönigt den unbefriedigenden Status der Nationalmannschaft nicht. Die Rollen seien entsprechend klar verteilt. «Die Tschechen sind definitiv besser als wir. Wenn uns kein Effort gelingt, wird es in der Qualifikation ganz schwierig. Dann bewegen wir uns weiterhin im Sumpf.» Vor dem Duell mit dem 17. der letzten WM will der 31-jährige Regisseur aber nicht allzu weit in die Zukunft blicken. «Wir müssen jetzt einfach mal die Füsse still halten und ein solches Spiel gewinnen. Über alles andere brauchen wir in unserer Situation gar nicht zu diskutieren.»
Das Ende der jahrelangen Flaute müsse im Vordergrund stehen, fordert Schmid. «Es wird dann zwar nicht Konfetti regnen, aber wir könnten so mal ein dringend benötigtes Zeichen setzen.» Sie hätten es zuletzt vereinzelt geschafft, gegen einen deutlich höher eingestuften Konkurrenten gut auszusehen – wie beispielsweise in der starken ersten Hälfte gegen den Welt- und Europameister Frankreich (11:15).
Der Führungsspieler der Rhein-Neckar Löwen redet nicht nur Klartext, er ist auch bereit zu leiden. Trotz einer schmerzhaften Schulterprellung tritt er heute Mittwoch an. Sollte die Misere allerdings anhalten, dürfte Schmid das medizinische Risiko genau abwägen, ob eine weitere Partie in Pilsen (am Samstag) angesichts der hohen Belastung im anspruchsvollen Klub-Alltag Sinn macht.
Am 9. Mai steht für den Aufbauer der Handball-Nation mit den Löwen das prestigeträchtige Cup-Final-Four-Turnier in Hamburg an. Den Knock-out-Spielen vor über 13’000 Anhängern misst Schmid einen grossen Stellenwert bei. «Wir haben die Chance, die Saison ein bisschen zu vergolden.»
Jicha verletzt?
Im deutschen Cup wird Schmid nicht mehr auf Tschechiens Shooter Filip Jicha treffen – den Captain des THW Kiel eliminierte er wie schon vor Jahresfrist. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass es auch in Schaffhausen nicht zu einem Wiedersehen kommt. Osteuropäischen Quellen zufolge leidet der frühere St.-Otmar-Topskorer unter hartnäckigen Adduktorenproblemen und zieht ein Forfait in Betracht.
EM-Qualifikation. Gruppe 6. 3. Spieltag. Mittwoch: Schweiz – Tschechien (20 Uhr/Schaffhausen). Mazedonien – Frankreich (20.15 Uhr/Skopje). – Rangliste (je 2 Spiele): 1. Frankreich 4 (74:49). 2. Mazedonien 3 (54:47). 3. Tschechien 1 (52:68). 4. Schweiz 0 (44:60). – Weiteres Programm der SHV-Auswahl. Samstag, 2. Mai: Tschechien – Schweiz (17 Uhr/Pilsen). – Mittwoch, 10. Juni: Schweiz – Mazedonien (20 Uhr/St. Gallen). – Samstag, 13. Juni: Frankreich – Schweiz (15 Uhr/Clermont-Ferrand). – Modus: Top 2 und der beste aller Gruppendritten für die EM 2016 in Polen qualifiziert.