Bei einem Nein zur Unternehmenssteuerreform III in der Abstimmung vom 12. Februar würde der Bund das Gespräch mit der EU und der OECD suchen. Er würde erklären, dass sich die Abschaffung der kritisierten Steuerregimes verzögert.
Wie die EU und die OECD reagieren würden, könne er nicht sagen, sagte Jörg Gasser, der Staatssekretär für internationale Finanzfragen (SIF), am Donnerstag vor den Medien in Bern. «Ich werde mich hüten, den Teufel an die Wand zu malen.»
Fest stehe, dass die Abschaffung der international nicht mehr akzeptierten Steuerregimes geplant sei. Daran würde ein Nein zur Unternehmenssteuerreform III nichts ändern, denn dieser Aspekt sei unbestritten.
Keinen Termin vereinbart
Nicht mehr realistisch wäre aber wohl die Abschaffung der Steuerregimes bis 2019. Diesen Termin habe die Schweiz der EU und der OECD in Aussicht gestellt. Um eine Deadline handle es sich allerdings nicht, sagte Gasser. Der Termin sei nicht schriftlich festgehalten, es gehe eher um eine Erwartung.
Die kritisierten Steuerprivilegien für internationale Unternehmen muss die Schweiz abschaffen, um die Mindeststandards des OECD-Aktionsplans zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) zu erfüllen. Dazu hat sie sich bekannt.
Nicht mehr in der Defensive
Im Rahmen von BEPS könnten demnächst auch Doppelbesteuerungsabkommen angepasst werden müssen. Ein multilaterales Abkommen dazu steht zur Unterzeichnung bereit. Ob die Schweiz es unterzeichnet, wird der Bundesrat entscheiden.
Zu reden gaben in den vergangenen Tagen Berichte über Pläne der EU, eine schwarze Liste mit Steueroasen zu erstellen. Laut EU-Diplomaten wird auch die Schweiz einen Brief aus Brüssel erhalten. Gasser sagte dazu, er habe davon aus den Medien erfahren, schaue einem solchen Schreiben aber gelassen entgegen. Die Schweiz habe ihre Hausaufgaben gemacht. Das erlaube ihr, weniger aus der Defensive heraus zu agieren.
Fragen zu «America first»
Gasser äusserte sich an der Jahresmedienkonferenz auch zu den geopolitischen Veränderungen. Mit der neuen US-Administration und deren Devise «America first» sei offen, ob und wie sich die USA noch an internationalen Standards beteiligten. Für die Schweiz seien solche aber wichtig, denn sie garantierten gleich lange Spiesse für alle.
Das SIF beschäftigt auch die Frage einer möglichen umfassenden Steuerreform in den USA und deren Auswirkungen auf die Schweiz. Man wolle so bald wie möglich mit der US-Administration Gespräche führen, sagte der Staatssekretär.
Keine Konzessionen nach Brexit
Mit Grossbritannien sucht die Schweiz ebenfalls den Dialog. Nach dem Brexit will man laut Gasser vor allem verhindern, dass rechtliche Lücken entstehen. Um über eine mögliche gemeinsame Strategie zu sprechen, sei es dagegen zu früh.
Der Brexit wirkt sich auch auf die Gespräche mit der EU und mit einzelnen Ländern über den Marktzugang aus. Die Gespräche gestalteten sich derzeit «relativ schwierig», sagte Gasser. Die EU wolle nach dem Brexit einen Präzedenzfall vermeiden und deshalb keine Konzessionen an die Schweiz machen.
Dialog ausweiten
Die Schweiz wird 2017 erneut am G20-Finanzministertreffen teilnehmen. Zu den Prioritäten des SIF für das laufende Jahr gehört indes der Dialog mit Ländern ausserhalb der EU und den USA. Eine wichtigere Rolle sollen in Zukunft Länder in Lateinamerika und dem Nahen und Fernen Osten spielen, wie es im Jahresbericht heisst.
Den Dialog verstärken will das SIF zudem mit der Finanzbranche selbst. Diese soll bei Regulierungen von Anfang an mit einbezogen werden. Bestimmte existierende Regulierungen sollen einer Evaluation unterzogen werden.
Mehr Informationsaustausch
Ferner beschäftigt das SIF die Umsetzung des Standards zum automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIA). Aktuell plant die Schweiz die Einführung des AIA mit 78 Ländern. Mit 38 sollen Informationen bereits ab nächstem Jahr ausgetauscht werden.
Zur Einführung des AIA mit weiteren Ländern – darunter Liechtenstein, China und Russland – hat das SIF am Donnerstag eine Vernehmlassung eröffnet. Gasser betonte, dass die Datensicherheit in den betroffenen Ländern jeweils abgeklärt werde. Bei Problemen könne der Austausch ausserdem sistiert werden.
Kaum Vermögensabfluss
Befürchtungen, dass der geplante AIA zu einem Vermögensabfluss führen könnte, haben sich nicht bestätigt. Das zeige, dass sich die Vermögensverwaltung auch lohne, wenn das Bankgeheimnis nicht mehr existiere, stellte Gasser fest.
Der Schweizer Finanzplatz ist in der grenzüberschreitenden Verwaltung privater Vermögen weltweit führend, mit einem Marktanteil von rund 25 Prozent. Die gute Position verdanke die Schweiz insbesondere der politischen Stabilität, der zentralen Lage in Europa, der hohen Servicequalität und der Funktion des Schweizer Frankens als sicherer Hafen, schreibt das SIF im Jahresbericht.