Die CVP-Initiative gegen die Heiratsstrafe kommt ohne direkten Gegenvorschlag vors Volk. In der Schlussabstimmung vom Mittwoch hat der Ständerat die Vorlage überraschend abgelehnt. Der Entscheid fiel mit 22 zu 20 Stimmen bei einer Enthaltung.
In der ersten Sessionswoche hatte der direkte Gegenvorschlag noch eine Mehrheit von 24 zu 19 Stimmen bei einer Enthaltung gefunden. Vier FDP-Mitglieder haben jedoch inzwischen ihre Meinung geändert. Wegen der Folgen für die Sozialversicherungen hatte Christine Egerszegi (AG) schon in der Debatte von Anfang März Vorbehalte gegen die Vorlage geäussert.
Wenn die Heiratsstrafe konsequent abgeschafft werde, müsse sie auch bei den Sozialversicherungen beseitigt werden, sagte sie. Das hiesse, dass AHV-Beiträge auch von nicht berufstätigen Ehegatten erhoben werden müssten. Die Kürzung der maximalen Altersrente für Ehepaare müsste ebenfalls aufgehoben werden, was Mehrkosten im Milliardenbereich zur Folge hätte.
Unter den FDP-Vertretern, die ihre Meinung geändert haben, war auch Georges Theiler (FDP/LU). Nach dem deutlichen Nein zur Initiative für steuerfreie Kinderzulagen am 8. März sei er überzeugt, dass auch die zweite Familieninitiative der CVP vom Volk abgelehnt werde, sagte er der Nachrichtenagentur sda. Einen Gegenvorschlag hält Theiler darum für unnötig und verwirrend.
Zentrale Forderung aufgenommen
Bei der Debatte im Rat war der Handlungsbedarf noch weitgehend unbestritten gewesen. Der Gegenvorschlag hätte die zentrale Forderung der CVP-Initiative aufgenommen: Ehepaare sollen bei den Steuern und den Sozialversicherungen nicht schlechter gestellt werden als Konkubinatspaare.
Zwei Formulierungen gingen der Mehrheit von Ständerat und Nationalrat aber zu weit. Die Initiative definiert die Ehe als eine «auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau» und als «Wirtschaftsgemeinschaft». Beide Räte lehnten das Volksbegehren und einen eigenen Gegenvorschlag der CVP darum ab.
Sie stimmten aber dem direkten Gegenvorschlag zu, der die Heiratsstrafe ebenfalls beseitigen will, die zwei kritisierten Punkte aber ersatzlos streicht. Dieser ist nach der Ablehnung durch den Ständerat jedoch vom Tisch.
Abstimmung wiederholt
Bei der Schlussabstimmung hatte in der kleinen Kammer einige Verwirrung geherrscht. Zunächst sprach sich der Rat mit Stichentscheid des Präsidenten für den Gegenvorschlag aus. Georges Theiler verlangte jedoch per Ordnungsantrag eine Wiederholung der Abstimmung, weil die Vorlage der Schlussabstimmung – durchaus ordnungsgemäss – nicht auf Papier ausgeteilt worden war.
Die Rede war auch von einer «ungünstigen Präsenz» im Saal im Moment der ersten Abstimmung. Peter Bieri (CVP/ZG) hielt das für einen dem Ständerat «nicht würdigen» Vorgang. Der Ordnungsantrag wurde jedoch mit 23 zu 19 bei einer Enthaltung angenommen, die daraufhin wiederholte Schlussabstimmung fiel negativ aus.
Der Nationalrat führte kurz darauf trotzdem eine Schlussabstimmung durch. Der Gegenvorschlag wurde dabei mit 100 zu 81 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen, dieses Resultat ist jedoch bedeutungslos. Die Schlussabstimmung über die CVP-Initiative wird auf die Sommersession verschoben. Wegen der neuen Ausgangslage müssen die Räte noch einmal über ihre Abstimmungsempfehlung entscheiden.