Die USA wollen angebliche Spionage-Aktivitäten in ihrer Genfer UNO-Botschaft nicht kommentieren. Das teilte das Schweizer Aussenministerium auf Anfrage mit. Dieses hatte bereits am 10. Juni in einer diplomatischen Note die USA zu einer Stellungnahme aufgefordert.
Die USA hätten in ihrer Antwort auf die Demarche unterstrichen, «dass die Regierung der USA die Schweizer Gesetze und die Souveränität der Schweiz respektiere», schreibt das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) weiter. Weitere Schreiben an die USA in dieser Angelegenheit seien derzeit nicht vorgesehen.
Die Schweiz befürwortet jedoch einen internationalen Ansatz. So unterstütze sie die deutsch-brasilianischen Bemühungen, der UNO-Vollversammlung eine Resolution zum Recht auf Privatsphäre im Internetzeitalter vorzulegen. Dabei müsse das Hauptaugenmerk der Initiative auf den menschenrechtlichen Aspekten liegen, hiess es weiter.
Das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» hatte am Montag über Abhöreinrichtungen in der Genfer US-Botschaft berichtet. Dort überwachten Mitarbeiter der NSA und der CIA mit modernen Hochleistungsantennen die Kommunikation in der UNO-Stadt.
Die Enthüllungen zu Abhöraktionen der US-Geheimdienste führte auch zu Reaktionen in der Schweizer Politik. Unter anderem wurde gefordert, den US-Botschafter vorzuladen. Auch über eine Reaktion an der Banken-Front wird diskutiert.
FATCA aussetzen
Was die USA sich erlaubten, sei «völlig inakzeptabel», sagte Hannes Germann (SVP/SH) am Dienstag der Nachrichtenagentur sda. Der Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates (APK) schliesst sich der Forderung verschiedener im «Tages-Anzeiger» zitierter Politiker von links bis rechts nach einer Protestnote der Schweiz an.
Den US-Botschafter vorzuladen, sei allerdings lediglich eine symbolische Aktion. Eine mögliche Reaktion auf die Spionage sei daher, das Abkommen zur Umsetzung von des US-Steuergesetzes FATCA auszusetzen. Die Schweiz müsse sich nicht alles gefallen lassen, sagte Germann.
Mit dem Abkommen verpflichten die USA ausländische Banken dazu, Konten von US-Kunden ihren Steuerbehörden zu melden. Die Banken sind gezwungen, das Gesetz ab Mitte 2014 umzusetzen, sofern sie nicht faktisch vom US-Kapitalmarkt ausgeschlossen werden wollen.
Bei FDP-Präsident Philipp Müller stösst die Idee, das Abkommen zu sistieren, denn auch auf Skepsis. Damit würde sich die Schweiz selber schaden, sagte Müller.
Für Experten keine Überraschung
Die Enthüllung über eine US-Abhörstation in Genf sorgt zwar für Empörung, ist für Experten aber keine grosse Überraschung. Dass die USA Kommunikationsleitungen anzapften, sei längst bekannt, betont etwa Albert Stahel, der Leiter des Instituts für Strategische Studien, in einem Interview mit der «Neuen Luzerner Zeitung». Der Sturm werde sich legen. «Und danach machen alle weiter wie bisher.»
Auch die Melde- und Analysestelle Informationssicherung (MELANI) wies am Dienstag in ihrem Halbjahresbericht darauf hin, dass der Zugriff von staatlichen Stellen auf die Kommunikationsinfrastruktur nichts Aussergewöhnliches sei. Allerdings bezogen sich die Experten des Bundes dabei auf die inländische Infrastruktur. Die Cyber-Experten des Bundes orten das Problem in der Vormachtstellung der USA im Bereich der Informationstechnologie.
Walliser Dialekt als Lösung
Einen Hoffnungsschimmer für abgehörte Deutschschweizerinnen und -Schweizer gibt es aber offenbar: Strategie-Experte Stahel glaubt nicht, dass die US-Geheimdienste Schweizerdeutsch verstehen. «So einen Aufwand betreiben die Amerikaner nicht, da sind wir dann doch zu wenig wichtig», sagt er im Interview. Dem Bundesrat rät er, «wichtige Belange im Walliser Dialekt zu bereden».