Ein richtiger Montag. Alle Läden und Bistros sind geschlossen. Aber der Vorteil. Wir kommen tüchtig voran.
Gray – wir haben das Städtchen nicht mehr erkundet, gestern Abend, haben uns im Hotel einquartiert, ich bin kurz und erfolglos auf der Suche nach Zigaretten durch ein paar Strassen gegangen, es war Sonntagabend, alles geschlossen, etwas trostlos. Und sonst sind wir im Hotel geblieben, haben gegessen, eine gute Flasche getrunken und uns Gray auf heute aufgespart.
Die Sâone fliesst breit und behäbig durch, ergiesst sich über ein längliches Wehr, für Boote liegt eine Schleuse bereit. Und das alles ist schon die Sehenswürdigkeit. Auf dem Hügel trohnt eine mächtige Kirche, nicht unbedingt einladend. Den zwei, drei Gassen entlang stehen die Boulangeries, Boucheries, Apotheken und was es so hat in diesen kleinen Zentren. Auch Kleidergeschäfte, alle geschlossen an einem Montagvormittag, heruntergezogene Rollläden an feuchter Gasse, noch nass von den Gewittern der vergangenen Nacht. Auch Bäckereien sind zu, Metzgereien ebenfalls. Man verweist auf das Kaufhaus am Rande der Ortschaft: Ein riesiger Schuppen, in dem vom Baguette bis zum Gummistiefel und vom Kondom bis zum Aufschnitt alles zu haben ist. An der Cafeteria bauen sie erst, die meisten Kassen ohnehin geschlossen an diesem Vormittag. Wir kaufen unser Picknick ein, spazieren durch das heruntergekommene, etwas abgewirtschaftete Gray zurück zum Hotel und suchen einen Weg hinaus.
Kleine Bauernweiler bald, von denen wir nach den Erfahrungen von gestern nicht erwarten, dass ein Restaurant geführt wird. Wir setzen uns von Zeit zu Zeit ans Strassenbord, trinken Wasser aus unseren Flaschen und schwatzen über gemeinsame Bekannte, Freunde, den Tagi, schwatzen drauflos, schweifen hin, schweifen her, lachen, erzählen Anekdötchen, und wenn´s bergauf geht, schweigen wir.
Plötzlich tauchen stillgelegte Geleise auf. Bei einem verlassenen Bahnwärterhäuschen biegen wir auf die Schwellen, ziehen an wuchernden Sträuchern und Gräsern vorbei und stehen dann unvermittelt auf einer längeren Beton-Stahlbrücke, die uns recht hoch über ein kleines Tal und einen Kanal führt. Ein eigenartiges Erlebnis, über eine nicht mehr gebrauchte und langsam verfallende Eisenbahnbrücke zu spazieren –es kommt so etwas wie Endzeitstimmung auf, in diesem jauchzenden Sommerwetter besonders schräg. Büttner sagt, es erinnere an Tarkowski-Filme, an Wim Wenders-Szenen und im Hintergrund jaule Ry Cooders Gitarre.
Mücken und Bremsen
Ein neues Dorf nach Battrans, Echevanne zum Beispiel. Ein Schloss steht dort, mit farbig leuchtenden Ziegeln, Maurer verputzen ein Wand, Bauern fahren Heuballen ein, ein paar Häuser stehen renoviert im Wochenend-Gewand da – aber es hat keine Bar, kein Restaurant, nichts. Mücken und Bremsen verfolgen uns durch den Wald, die Sonne hat nach durchdonnerter Nacht wieder zum Sommer zurückgefunden, es ist schwül am Nachmittag.
Ein neues Dorf: Velesmes. Grösser, stattlicher, viele Einfamilienhäuser ringsum, im Dorfkern die gemörtelten Bruchsteinhäuser, grösser als im Loire-Gebiet, der Bretagne, zweistöckig mindestens sind sie alle, steile, höhere Dächer, Ansätze von Vordächern manchmal. Hier müsste ein Bier zu kaufen sein. Doch keine Bar, kein Restaurant, nichts. Wir sitzen auf den Kirchplatz, picknicken und trinken Wasser.
Natel-Netz und Beizen-Dichte
Wir geben die Hoffnung auf, philosophieren darüber, ob es einen Zusammenhang zwischen Natel-Netz und Restaurant-Dichte gibt. In der Bretagne, im Loire-Gebiet trifft man in jedem Nest auf eine Bar, doch das Natel funktioniert nicht. Hier lässt sich aus jeder Ecke in Feld und Wald telefonieren, aber ein Bier gibt es nicht.
Aber es gibt ein Dorf, das schlicht Gy heisst. Hier, so sagen uns die Leute, gebe es Bars und ein Hotel. Und so ist es. Das Hotel hat ein Schwimmbad, und das entschädigt nach langem, durstigen Tag doch ganz gehörig.
(Gy, 24. Juni 2002)