Der Bundesrat sieht keine grundsätzlichen Probleme bei den KESB. Er will aber abklären, wie diese Grosseltern und andere nahestehende Personen besser einbeziehen könnten.
Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) stehen in der Kritik, seit es sie gibt. Dass KESB-Fälle zu reden gäben, sei kein kein Wunder, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga am Mittwoch vor den Medien in Bern. Für die Betroffenen gehe es um viel, das sei schon früher so gewesen. Nun sei aber eine Debatte um die KESB daraus geworden. Für diese Diskussion brauche es Fakten.
Das neue Recht ist seit 2013 in Kraft. Der Bundesrat hat nun erste Erfahrungen ausgewertet. Sein Fazit: Es gibt keinen Grund, die Arbeit der KESB grundsätzlich in Frage zu stellen. Auf Ebene der Bundesgesetzgebung bestehe «nur ein sehr beschränkter Handlungsbedarf», schreibt der Bundesrat in seinem Bericht. Für den Vollzug seien die Kantone zuständig, und diese verbesserten die Prozesse laufend.
Kein rechtliches Problem
In zwei Punkten will der Bundesrat aber Abklärungen treffen. Die KESB bezögen das nahe Umfeld teilweise nicht oder nur ungenügend in den Entscheidungsprozess über Massnahmen ein, hält er fest. Das wurde auch im «Fall Flaach» kritisiert: Die KESB beschloss, die Kinder in einem Heim unterzubringen, obwohl die Grosseltern sich zur Betreuung bereit erklärt hatten.
Das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) will nun abklären, wie der Einbezug nahestehender Personen verbessert werden könnte. Solche Personen sollen nicht nur bei der Abklärung des Sachverhalts berücksichtigt, sondern auch konsequent als mögliche Beistandpersonen und bei der Platzierung von Kindern in Betracht gezogen werden.
Praxis genauer anschauen
Das Recht sieht das bereits heute vor. Und ein Gutachten der Hochschule Luzern zeigt, dass die Behörden in der Regel auch so handeln. Der Bundesrat hält es dennoch für angebracht, die Praxis der Behörden in diesem Punkt «noch einmal anzuschauen». Weiter will das EJPD prüfen, ob das Vorgehen der KESB bei Gefährdungsmeldungen konkreter geregelt werden kann.
Im Raum steht der Vorwurf, manche Behörden reagierten zu rasch und zu heftig auf Gefährdungsmeldungen. Sollte sich zeigen, dass Gesetzesänderungen erforderlich sind, sollen diese bis 2018 vorliegen. Einverstanden ist der Bundesrat ausserdem mit dem Vorschlag der nationalrätlichen Rechtskommission, dass die Übernahme einer Beistandschaft nur noch auf freiwilliger Basis erfolgen soll.
Kein Beschwerderecht für Gemeinden
Anderen Forderungen stellt sich der Bundesrat entgegen. So will er die Beschwerdefrist nicht anpassen. Und er hält es nicht für sinnvoll, für Gemeinden ein Beschwerderecht gegen Verfügungen der KESB einzuführen. Gemeinden müssen heute unter Umständen für die Kosten einer Massnahme aufkommen, obwohl sie am Entscheid nicht oder nur beschränkt beteiligt waren.
Der Bundesrat anerkennt die Problematik. Es sei aber gerade das Ziel der Revision gewesen, dass eine unabhängige, professionelle Behörde die Interessen der Schutzbedürftigen wahre, gibt er zu bedenken. Gehe es etwa um die Platzierung eines Kindes, dürften nicht die Kosten im Vordergrund stehen.
Interessen der Betroffenen schützen
Weiter lehnt der Bundesrat es ab, nahe Angehörige von Pflichten gegenüber der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden zu entbinden. Hier geht es um die Kritik von Eltern, die volljährige behinderte Kinder zu Hause betreuen und gegenüber der KESB Berichterstattungs- und Rechnungslegungspflichten haben.
In der allergrössten Mehrheit der Familien seien die persönliche Fürsorge und das Interesse an einem möglichst selbstbestimmten Leben der hilfsbedürftigen Person selbstverständlich, betont der Bundesrat. Es sei aber die Aufgabe des Staates, wenn nötig die Interessen und Rechte der betroffenen Personen zu schützen.
Weniger statt mehr Massnahmen
Der Bundesrat äussert sich auch zur Kritik, das neue Recht habe zu einer Zunahme der Massnahmen geführt. Er verweist auf Untersuchungen, die letzten Herbst veröffentlicht wurden. Diese zeigen, dass die Zahl der Massnahmen eher abgenommen hat – bei den Kindern seit 2013 um 1,3 Prozent pro Jahr.
Im Jahr 2014 wurde in 1518 Fällen die Fremdplatzierung eines Kindes angeordnet. In 30 Prozent der Fälle waren die Eltern damit einverstanden. Was die Kosten betrifft, ist der Vergleich schwierig, da diese mit dem alten Recht nicht vollständig erhoben wurden. Laut dem Bundesrat gibt es aber keine Hinweise auf teurere Massnahmen.
Qualität nicht am Einzelfall messen
Fehlentscheide seien unvermeidbar, hält der Bundesrat fest. «Die Qualität des Gesamtsystems darf deshalb nicht am Einzelfall gemessen werden.» Die Praxis zeige, dass behördliche Interventionen zugunsten des Kindeswohls in vielen Fällen unbedingt notwendig seien. Eine Abschaffung der KESB stehe nicht zur Diskussion.
Auch präzisere Regeln würden aus Sicht des Bundesrates nichts bringen: «Gerade im Kindesschutzrecht muss das Kindeswohl als zentrale Maxime für die Rechtfertigung behördlicher Massnahmen ausreichen, und dies im vollen Bewusstsein der Unschärfe des Begriffs», schreibt er.
Mit dem Bericht erfüllt der Bundesrat Aufträge aus dem Parlament. Weitere 14 Vorstösse zur KESB sind noch hängig. Zudem haben KESB-Kritiker eine Volksinitiative lanciert, die derzeit vorgeprüft wird. Über eine kantonale Initiative wird im Kanton Schwyz am 21. Mai abgestimmt.