Kevin – leider nicht allein zu Haus

Kann eigentlich jeder Kinder erziehen? Sicher, sonst müssten ja der Eltern-Beruf an einer Hochschule studiert werden. Was braucht es als Mindestanforderung, um Eltern zu werden? Zumindest Zeugungsfähigkeit. Darf man davon ausgehen dass Zeugungs-Kenntnisse Erziehungs-Kenntnisse nach sich ziehen? We need to talk about Kevin Kann eigentlich jeder Kinder erziehen? Sicher, sonst müsste ja der Eltern-Beruf an […]

Kann eigentlich jeder Kinder erziehen? Sicher, sonst müssten ja der Eltern-Beruf an einer Hochschule studiert werden. Was braucht es als Mindestanforderung, um Eltern zu werden? Zumindest Zeugungsfähigkeit. Darf man davon ausgehen dass Zeugungs-Kenntnisse Erziehungs-Kenntnisse nach sich ziehen?

We need to talk about Kevin

We need to talk about Kevin

Kann eigentlich jeder Kinder erziehen? Sicher, sonst müsste ja der Eltern-Beruf an einer Hochschule studiert werden. Was braucht es als Mindestanforderung, um Eltern zu werden? Zumindest Zeugungsfähigkeit. Darf man davon ausgehen dass Zeugungs-Kenntnisse Erziehungs-Kenntnisse nach sich ziehen?

 

Spätestens, wenn Sie im Freundeskreis den Erziehungs-Stil eines Paares bemängeln, wird Ihnen klar, dass noch längst nicht alles erziehungswissenschaftlich geklärt ist. Sie können ein Zerwürfnis mit Freunden nur rascher herbeiführen, indem sie ihnen sagen, sie hätten ganz blöde Kinder. Eltern neigen dann rasch zu Schnappatmung. Sie werden bei einer Einladung unter Umständen bereits die Hauptspeise ohne ihre Gäste essen müssen.

 

Reicht denn als Mindestanforderungsprofil für Eltern die Zeugungsfähigkeit heute noch aus? Die Ratgeberflut in den Buchhandlungen (für die Jüngeren: das ist so was wie Amazon zum anfassen) macht uns rasch klar: Es reicht nicht. Das ist meist den Eltern weniger klar als ihren Kindern. Die Kinder reden ja auch anders über ihre Eltern. Das was da (besonders an Wochenenden) so schwierig werden kann, heisst Eltern, und hat das halt nicht gelernt.

 

Wenn sie „We need to talk about Kevin“ sehen, werden sie wohl – wie ich – denken, dieser Kevin ist aber auch ein extrem schlimmer Finger. Von Geburt an. Ich habe selten so ein hinterhältiges Kind kennen gelernt! Ja, und? Vergessen wir mal nicht, dass wir im Leben genau anders denken: Das sind aber extrem schlechte Eltern, die dieses Kind nach 23h noch draussen mit Pfeilbogen herumschiessen lassen! Und würden damit wahrscheinlich recht erhalten.

 

„We need to talk about Kevin“ ist eine wuchtig Fortsetzung von John C. Reilly’s Vaterfigur aus „Carnage“, wo derselbe Schauspieler für Polanski einen etwas tapsigen Papi spielte. Er macht, wie die Mutter Swinton, das, was Eltern ein Leben lang tun: nichts wirklich falsch und doch auch nichts so ganz richtig. Sie wurschteln sich mit Hingabe durch. Sie bereiten ihr Kind auf eine Welt vor, eine Welt, ähäm …. Welt … welche??

Was Tilda Swinton uns da in „Kevin“ (leider nicht allein zuhaus!) von den Nöten einer Mutter zeigt ist Legion. Da steckt in jeder Bilderfolge eine blutige Metapher. Da wird eine Bilderflut losgetreten, die aus einer tiefen Eltern-Kenntnis eine beängstigende Albtraum-Atmosphäre schafft. Mit brutalem Sog nimmt die Tragödie ihren poetischen Lauf, als wäre sie den Sprachbildern eines Shakespeare geschuldet – hier entwickeln die Bilder ihre ganz eigene Sprache.  Am Schluss ist man ratlos, wie man es ist, wenn man vor einer Erziehung steht, die gründlich scheitert, ohne viel falsch gemacht zu haben. Aber darf man jetzt Erziehungsfehler benennen, ohne dass die Gäste aufstehen und gehen?

 

 

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