Khodorkovsky – ein Muss für Konspirologen

Michail Borissowitsch Chodorkowski – eine Steilvorlage für Ihre Verschwörungstheorien von Cyril Tuschi (Bild: Hansjörg Betschart) Ich liebe V-Theorien. Sie helfen, wenn die Welt unerklärbar wird, sie zu verstehen. Die Mondlandung war uns allen unfassbar. Verstanden haben wir sie erst, als das Gerücht aufkam, sie sei von der Nasa nur vorgetäuscht worden. Das hat unserem Weltbild […]

Michail Borissowitsch Chodorkowski – eine Steilvorlage für Ihre Verschwörungstheorien von Cyril Tuschi

(Bild: Hansjörg Betschart)

Ich liebe V-Theorien. Sie helfen, wenn die Welt unerklärbar wird, sie zu verstehen. Die Mondlandung war uns allen unfassbar. Verstanden haben wir sie erst, als das Gerücht aufkam, sie sei von der Nasa nur vorgetäuscht worden. Das hat unserem Weltbild jenen Kick Phantasie hinzugefügt, die die Leistung etwas weniger übermenschlich, ja  gar wiederholbar erscheinen liess.

Unfassbar ist es auch, wie so ein netter Mensch wie Michail Borissowitsch Chodorkowski  Staatsfeind Nummer 1 werden konnte. Wenn ich meinen Schrebergarten an einen Russen vergeben müsste, Michail Borissowitsch Chodorkowski wäre mein Kandidat. Ja, ich würde sogar verstehen, wenn meine Mutter ihn als Sohn vorziehen würde.

Unerklärlich, dass er etwas angestellt hat. Wann denn? Als er plötzlich innerhalb weniger Jahre im Schweisse seines Angesichts und von seiner Hände Arbeit zum reichsten Mann der Welt wurde? Er soll vom Russischen Staat ein Öl-Imperium geklaut haben? Was denn, was denn? Dabei wurde es ihm erwiesenermassen praktisch geschenkt! Hingegen hat der Russische Staat das Öl-Imperium zurückgeklaut! Worauf Michail Borissowitsch Chodorkowski sich dafür hat verhaften lassen, anstatt in den USA zu bleiben, wo auch der Schah schon einmal ein Öl-Imperium retten konnte! So was Unfassbares.

Es ist ein höchst präzise recherchierter Film von Cyril Tuschi über Michail Borissowitsch Chodorkowski. Er führt uns sorgfältig in eine Welt ein, in der ein Mann innerhalb von acht Jahren zum reichsten Mann der Welt werden kann, ohne auch nur einmal falsch geparkt zu haben. Vielleicht liefert er gerade deshalb eine perfekte Vorlage für all jene, denen es nicht genügt, dass in der grossen weiten Welt der Habgier Unerklärliches vorgeht: Je präziser der Film vor unseren Augen recherchiert, desto mehr öffnet er unsere Phantasie. Gerade weil der Film so seriös jeder Versuchung zu spekulieren widersteht, ist er ein wunderbarer Anfang für einen aufregend wilden Abend mit Ihrer Begleiterin: Wer den Tag in einer Verschwörungsorgie beenden will, dem sei ein Aufenthalt in diesem höchst entlarvenden Film empfohlen. Die Frage ist nur, wer entlarvt wen, wenn der Dokumentarfilmer den Ex-Multimilliardär-Gefangenen, wenn er ihn dann endlich mal vor die Kamera kriegt, mit einer schier unerträglich quälenden Frage konfrontiert: „Meditieren sie in der Zelle, Herr Michail Borissowitsch Chodorkowski?“ Das nenne ich mal einen provozierende Fangfrage!

Das wollen wir aber Cyril Tuschi nachsehen. Denn jetzt müssen wir eben selber verstehen, was da abgeht!

Ein paar Vorschläge für die Verschwörungstheorien:

Michail Borissowitsch Chodorkowski ist ein Kumpel von Putin und ist nur freiwillig zur Verhaftung zurückgekehrt, weil er nach Putins Abgang diesen zum Besitzer des Öl-Imperiums machen soll.

Michail Borissowitsch Chodorkowski hat in Tat und Wahrheit Putin in den Sack gesteckt und leitet nun aus dem Gefängnis die Geschicke Russlands über eine Fernsteuerung.

Michail Borissowitsch Chodorkowski ist gar nicht im Gefängnis sondern lebt in einer Villa am Schwarzen Meer, von wo er jeweils im Flugzeug von Medwedew zu den Prozessen geflogen wird, und sich abends mit Putin zum Schachspielen trifft.

Michail Borissowitsch Chodorkowski hat diesen Dokumentarfilm selber finanziert, damit seine Schwiegermutter ihn nicht mehr einen „Betrüger“ nennt.

Cyril Tuschi ist eigentlich Chodorowski selbst, der unter dem Pseudonym Vertuschi gar nicht wirklich Licht in den Fall bringen wollte, sondern uns nur ein Gefühl von Hilflosigkeit geben wollte, damit wir ihn später als Erlöser feiern.

Nächster Artikel