Mit einem Sondereinsatz gegen prorussische Separatisten im Osten des Landes hat die Ukraine zwei Tage vor internationalen Krisengesprächen in Genf den Zorn Moskaus auf sich gezogen. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow sprach von einer «Verletzung ukrainischer Rechtsnormen und des Völkerrechts».
Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow sagte am Dienstag im Parlament, die angekündigte «Anti-Terror-Operation»sei nach dem Ablauf eines Ultimatums angelaufen. Sie werde besonnen durchgeführt. Über das Ausmass des Einsatzes gab es aus unabhängigen Quellen zunächst keine verlässlichen Informationen.
Wie ein AFP-Reporter berichtete, befand sich eine Kolonne ukrainischer Militärfahrzeuge in der Nähe von Izjum, etwa 40 Kilometer von der östlichen Stadt Slawjansk entfernt. Zu der Fahrzeugkolonne gehörten zehn Panzer, ebenso viele gepanzerte Fahrzeuge und sieben Busse mit Sondereinsatzkräften.
Ukrainische Regierungskräfte hätten am frühen Morgen das Feuer auf Strassensperren vor Slawjansk eröffnet, sagte ein Sprecher der prorussischen Separatisten. Dabei seien mehrere Menschen verletzt worden. Bewaffnete hätten die Stadt umstellt, die «Selbstverteidigungskräfte» bereiteten sich auf einen Angriff vor.
In mehreren Orten der Ostukraine halten prorussische Separatisten Verwaltungsgebäude besetzt. Sie fordern einen föderalen Staat mit weitgehenden Autonomierechten für das russisch geprägte Gebiet. Dabei sollen russische Spezialtruppen ohne Hoheitszeichen eine entscheidende Rolle spielen.
Putin spricht mit Obama
US-Präsident Barack Obama und der russische Präsident Wladimir Putin hatten den Ukraine-Konflikt in der Nacht zum Dienstag am Telefon besprochen. Putin wies dabei Vorwürfe zurück, Russland stecke hinter den Unruhen.
Er forderte Obama auf, ein gewaltsames Vorgehen der Übergangsregierung in Kiew gegen die pro-russischen Demonstranten und Besetzer zu unterbinden, hiess es in Washington. Obama appellierte nach Angaben des US-Präsidialamtes an Putin, dafür zu sorgen, dass die Separatisten ihre Besetzungen aufgäben.
Genf droht zu scheitern
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow forderte die ukrainische Regierung auf, den Spezialeinsatz gegen die Separatisten im Osten des Landes einzustellen. Bei einem Besuch in Peking warnte er vor einem Scheitern des für Donnerstag geplanten Krisentreffens in Genf.
Moskau sei daran interessiert, dass diese Zusammenkunft zustande komme, beteuerte Lawrow. Die Teilnehmer hätten sich schon auf ein vorläufiges Programm geeinigt – darunter Deeskalation, Entwaffnung illegaler Einheiten, verfassungsmässige Reformen und Wahlen in der Ukraine, sagte Lawrow.
In der Rhonestadt wollen die Aussenminister Russlands, der USA und der Ukraine zusammen mit der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton über Möglichkeiten einer diplomatischen Lösung der Krise beraten.
Kritischer UNO-Bericht
Nach Erkenntnissen von UNO-Experten hat es im Osten der Ukraine zwar vereinzelte Übergriffe auf Angehörige der russischen Minderheit gegeben, aber keine systematischen Attacken. Trotzdem wird die Regierung in Kiew ermahnt, die Rechte der russischen Minderheit zu respektieren.
Die Lage in der Ostukraine bezeichnen die UNO-Experten als äusserst angespannt. Zugleich weist der Bericht darauf hin, dass die gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Region möglicherweise von russischen Agenten geschürt würden.
Es gebe zahlreiche Behauptungen, wonach «einige Teilnehmer an den Protesten und Kämpfen politisch verfeindeter Gruppen nicht aus der Region stammten und dass einige von ihnen aus Russland gekommen waren».