„Kinder der Landstrasse“ – Aktenkundig und abgestempelt

Mit der Aktion „Kinder der Landstrasse“ hat die Pro Juventute über Jahrzehnte Fahrenden ihre Kinder weggenommen. Dem trüben Kapitel der Schweizer Geschichte widmet sich eine Ausstellung, die am Freitag im Zürcher Stadtarchiv eröffnet wurde.

Düsteres Kapitel in der Schweiz: Fahrenden wurden ihre Kinder entrissen (Symbolbild) (Bild: sda)

Mit der Aktion „Kinder der Landstrasse“ hat die Pro Juventute über Jahrzehnte Fahrenden ihre Kinder weggenommen. Dem trüben Kapitel der Schweizer Geschichte widmet sich eine Ausstellung, die am Freitag im Zürcher Stadtarchiv eröffnet wurde.

Gestaltet wurde die Ausstellung „Verwaltetes Leben – Die Kinder der Landstrasse und ihre Akten“ von Thomas Meier und Sara Galle vom Historischen Seminar der Universität Zürich. Die beiden Historiker beschäftigen sich in ihrer Forschung seit Jahren mit dem Thema, wie es in einer Mitteilung des Stadtarchivs heisst.

Zwischen 1926 und 1973 wurden in der Schweiz den Fahrenden rund 600 Kinder entrissen und mit Hilfe von Behörden in Pflegefamilien und Heimen untergebracht. Ziel der Aktion „Kinder der Landstrasse“ war es, Kinder von so genannten „Vagantenfamilien“ zu „brauchbaren Gliedern der Gesellschaft“ zu machen.

In der Ausstellung zeigen Meier und Galle, wie die Kinder der Fahrenden aufgrund von Vorurteilen in den behördlichen Akten als potenziell kriminelle Opfer abgestempelt wurden. Noch heute kämpften die Betroffenen zum Teil für ihre Rehabilitation.

Die Ausstellung will zeigen, wie Stigmata in Akten eingehen, dort angehäuft werden und zu schwerwiegenden Diskriminierungen führen können. Laut Stadtarchiv soll die Ausstellung dazu beitragen, dass das Geschehene nicht in Vergessenheit gerät.

Bezug zur Gegenwart

Meier und Salle sind überzeugt, dass die Thematik auch die Gegenwart betrifft. Die „fahrende Lebensweise“ sei damals als rückständig betrachtet worden. Ähnlich diskriminierende Urteile würden auch heute noch über Roma, Sinti und Jenische verbreitet.

Die Ausstellung ist begleitet von einem Rahmenprogramm mit Filmvorführungen, Podiumsveranstaltungen und einer Lesung. Für Schulklassen werden spezielle Workshops angeboten, für Gruppen Führungen sowie Gespräche mit einem ehemaligen „Kind der Landstrasse“.

Derzeit arbeiten Thomas Meier und Sara Galle für die Stiftung „Zukunft für Schweizer Fahrende“ an einer Webseite mit Resultaten zur Geschichte der Fahrenden und Informationen über das Leben von Fahrenden und für Fahrende. Die Webseite soll im Juni aufgeschaltet werden.

Die Ausstellung im Haus zum Rech, Neumarkt 4, in Zürich dauert bis zum 14. Juli. Infos über Öffnungszeiten und Veranstaltungen unter www.verwaltetes-leben.ch

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