Zweieinhalb Jahre nach dem blutigen Amoklauf in einem Kino im US-Staat Colorado steht der mutmassliche Täter vor Gericht. Dem heute 27-jährigen James Holmes wird vorgeworfen, während der nächtlichen Vorführung eines neuen «Batman»-Films in der Stadt Aurora 12 Menschen erschossen und 58 verletzt zu haben.
Die meisten Opfer waren junge Leute. Zum Auftakt des Prozesses in Centennial, einem Vorort von Denver, wurden noch Verfahrensfragen geklärt. Danach sollte die langwierige Geschworenen-Auswahl anlaufen.
Der Angeklagte erschien in einem graublauen Sakko, blauweiss gestreiften Hemd und bräunlichen Hosen im Gerichtssaal. Er trug einen Bart, Kurzhaarschnitt und eine Hornbrille und wirkte fast wie ein Student – im Gegensatz zu seinen feuerrot gefärbten wilden Haaren bei seinen ersten Gerichtsauftritten nach der Festnahme.
Amokläufer überleben selten, meist töten sie sich nach ihren Taten selbst oder werden von der Polizei erschossen. Daher ist der Prozess gegen den mutmasslichen Kino-Mörder von Aurora besonders. Sollte Holmes für schuldig befunden werden, droht ihm die Todesstrafe.
Nicht schuldig wegen Unzurechnungsfähigkeit
Die Verteidiger haben in seinem Namen auf «nicht schuldig» plädiert – wegen Unzurechnungsfähigkeit. Und darum wird sich der Prozess auch weitgehend drehen: War der Schütze zur Tatzeit schuldfähig, kann er zur Rechenschaft gezogen werden? Spricht ihn die Geschworenen-Jury frei, würde Holmes wohl in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
Die Schwierigkeit des Prozesses und schwere Verantwortung des Gerichts spiegeln sich in der Jury-Auswahl wider. Die Geschworenen werden aus einer Gruppe von 9000 Kandidaten ausgesucht: Das ist eines der grössten Auswahlverfahren in der Rechtsgeschichte der USA.
Für die Angehörigen ist das Verfahren äusserst schwierig. Megan Sullivan setzt sich manchmal in den Kinosessel, in dem ihr Bruder Alex erschossen wurde. Er feierte seinen 27. Geburtstag mit der «Batman»-Vorstellung. Monatelang werde die Gemeinschaft das Trauma des Amoklaufs wieder durchleben müssen, fürchtet die 28-Jährige.
Wie in einem Horrorfilm
Die Tat hätte einem Horrorfilm entspringen können: Mit Gasmaske und Schutzweste vermummt drang der Täter am 20. Juli 2012 in das Kino ein, warf Rauchbomben, versprühte Tränengas. Einige Kinobesucher glaubten zunächst, alles sei nur ein ganz besonderer Werbegag – bis die tödlichen Schüsse durch das Kino peitschten. Zehn Menschen starben noch im Kino – unter ihnen ein sechsjähriges Mädchen.
Die Ankläger wollen im Prozess betonen, dass Holmes seine Tat monatelang geplant habe, sich ein Waffenarsenal sowie Tausende Schuss Munition zulegte und seine Wohnung mit mehreren Sprengfallen versah, die ganz offensichtlich für die Ermittler gedacht waren. Das lasse auf scharfen Verstand und Schuldfähigkeit schliessen.
Die Verteidigung sieht das anders: Holmes habe den Amoklauf während einer psychisch besonders schwierigen Phase begangen. So habe sich Holmes vor seiner Tat einer Psychologin der Universität offenbart – diese habe die Universität über die Gefährlichkeit des jungen Mannes unterrichtet.
Medienberichten zufolge hatte sich der Schütze der Polizei nach dem Blutbad mit dem Hinweis ergeben, er sei der Bösewicht und «Batman»-Gegenspieler «Joker».