Erstmals seit Beginn der Datenerhebung sind 2012 die Meldungen von Kindsmisshandlung an das Kinderspital Zürich zurückgegangen. Insgesamt wurden 444 Fälle registriert, das sind 9,3 Prozent weniger als im Vorjahr, wie die Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle am Montag mitteilte.
Begründet wird die tiefere Zahl mit dem markanten Rückgang bei den gemeldeten Fällen von sexueller Ausbeutung. Diese nahmen um 50 Fälle (25 Prozent) ab. Eigentlich habe die Opferberatungsstelle seit Jahren auf diese Entwicklung gewartet, heisst es in der Mitteilung.
So gingen in den USA, Kanada und England die gemeldeten Fälle von sexueller Ausbeutung seit den 1990er Jahren markant zurück – allein in den USA zwischen 1990 und 2003 um 47 Prozent.
Detaillierte Erhebungen eines amerikanischen Forschers hätten gezeigt, dass die Abnahme nichts mit einer schlechteren Meldedisziplin zu tun habe, sagte der Leiter der Kinderschutzgruppe, Ulrich Lips, auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Allerdings seien die Gründe dafür vielfältig und teilweise spekulativ. „Eine Dunkelziffer besteht immer.“
Eine mögliche Erklärung sei, dass die zahlreichen Aufklärungs- und Präventionsbemühungen erste Früchte trügen und die raschere Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden eine abschreckende Wirkung entfalte. Möglich ist laut Mitteilung auch, dass eine neue Erwachsenengeneration heranwächst, deren Grundhaltung und Verhaltensmuster von älteren Generationen abweicht.
Mehr Fälle von psychischer Misshandlung
Bei den Meldungen über körperliche Misshandlung verzeichnete die Kinderschutzgruppe eine Zunahme um fünf Fälle (3,9 Prozent). Um je zehn Fälle angestiegen sind die Meldungen über psychische Misshandlung und Vernachlässigung. Sie machen neu 17,1 beziehungsweise 12,2 Prozent aus. Dieser Anstieg erstaune nicht, heisst es in der Mitteilung.
So seien häusliche Gewalt oder psychische Krankheiten der Eltern lange isoliert als Probleme der Erwachsenen betrachtet worden, die keinen Bezug zum Kind aufweisen. Kinder seien gar als „stabilisierende Faktoren“ betrachtet worden, die den Eltern Halt geben oder zur Eindämmung von Gewalt führten. „Von dieser Sichtweise ist man in Fachkreisen abgekommen“, sagte Lips.
So rückt jetzt stärker die Sicht des Kindes in den Vordergrund. „Ein 2-jähriges Kind versteht beispielsweise nicht, weshalb seine suchtkranke Mutter stundenlang nicht ansprechbar ist“, sagte Lips. Werden die Probleme zu gross, werde das Kind fremdplatziert, bis es der Mutter wieder besser geht. Dabei suche man wenn immer möglich eine innerfamiliäre Lösung.