Bei der Volksabstimmung in Ägypten hat sich eine überwältigende Mehrheit der Wahlberechtigten für die neue Verfassung ausgesprochen. Allerdings war die Beteiligung am Votum am Dienstag und Mittwoch gering.
98 Prozent der Wählerinnen und Wähler sprachen sich für das neue Grundgesetz aus. Nach inoffiziellen Auszählungsergebnissen in 26 von 27 Provinzen nahmen 36,7 Prozent der Wahlberechtigten an dem Referendum teil. Das berichtete das regierungsnahe Nachrichtenportal «Al-Ahram» am Donnerstag. Demnach stimmten 18,6 Millionen Bürger für die neue Verfassung und 366’000 dagegen.
Auch wenn die Beteiligung mässig war, kann sie auch als Erfolg dargestellt werden: Am Referendum über die Verfassung der Islamisten Ende 2012 hatten 33 Prozent der Wähler teilgenommen, von denen lediglich 63 Prozent mit «Ja» gestimmt hatten.
Boykottaufruf der Muslimbrüder
Die grosse Zustimmung nun kam nach Ansicht von Beobachtern nicht überraschend. Die islamistische Muslimbruderschaft, die vom Militär im Juli 2013 nach Massenprotesten entmachtet worden war, hatte zu einem Boykott des Referendums aufgerufen. Bei der starken Polarisierung der politischen Landschaft lag es nahe, dass Gegner des Verfassungsentwurfs die Wahl boykottierten.
Gegner des Verfassungsentwurfs beklagten zudem ein Klima der Einschüchterung. Der Vorsitzende der gemässigt-islamischen Partei Starkes Ägypten, Abdel Moneim Abul Futuh, sagte der Nachrichtenagentur dpa, dass Aktivisten seiner Partei beim Verteilen von «Nein»-Flugzetteln festgenommen wurden. Auch sei es ihm nicht möglich gewesen, Säle für eigene Veranstaltungen anzumieten, weil die Besitzer Angst vor Repressionen gehabt hätten.
Bei Protesten gegen die Volksabstimmung wurden am Dienstag neun Menschen getötet. Landesweit gab es nach jüngsten Angaben mehr als 440 Festnahmen.
Militär gestärkt
Der neue Verfassungsentwurf basiert zwar auf der im Dezember 2012 verabschiedeten Verfassung, welche die Handschrift der islamistischen Muslimbruderschaft trug.
Formuliert wurde der überarbeitete Text aber von Vertretern der Übergangsregierung und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Er enthält Fortschritte bei Bürger- und Frauenrechten, stärkt zugleich aber auch die Sonderstellung und den politischen Einfluss des ägyptischen Militärs.
Menschenrechtler und Experten beanstanden, dass die Freiheitsrechte schwierig durchsetzbar seien. Der Bürger habe gegenüber der gestärkten Position von Justiz und Polizei das Nachsehen.
Stimmungstest für Armeechef
Das Referendum soll nach den Worten von Interimspräsident Adli Mansur den Weg für baldige Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bereiten und so ein halbes Jahr nach dem Sturz Mursis die Rückkehr zur politischen Normalität ermöglichen.
US-Aussenminister John Kerry äusserte am Mittwoch die Hoffnung auf «einen transparenten und nachvollziehbaren Prozess, der den Menschen Vertrauen gibt». Der Kongress soll am Freitag über die Freigabe von umgerechnet fast 1,5 Milliarden Dollar derzeit eingefrorener Hilfen abstimmen.
Die Volksbefragung galt als wichtiger Stimmungstest für Armeechef Abdel Fattah al-Sisi. Der Vizeministerpräsident und Verteidigungsminister ist seit der Entmachtung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi durch die Armee Anfang Juli der starke Mann Ägyptens. Er kündigte bereits an, bei der Präsidentschaftswahl zu kandidieren, wenn «das Volk dies will».