Dabei waren Kleinröster aus dem ganzen Land. Die Gipfelstürmer aus Unterlunkhofen, Black & Blaze aus Zürich, Caffè Mondiale aus Gersau, FreshCoffee aus Rüschlikon sowie zwei grössere Röster, nämlich Henauer und Bertschi-Café. Und Roger Wittwer von der Kafischmitte. Dieser hatte eingeladen. Statt fand das Treffen am Freitag, 27. August im Obergeschoss des Berner Kult-Cafés Adrianos – ja, auch ein Kleinröster.
Dieser Roger Wittwer geht seit einigen Jahren in Sachen Röst- und Kaffee-Qualität in der Schweiz voran. Er ist mit qualitätsbewussten Kaffeebauern und der weltweiten Profi-Barista- und Rösterszene gut vernetzt und Teil einer grösser werdenden Bewegung, die ganz neue Massstäbe in Sachen Kaffee-Qualität setzt. Einige Eckpfeiler dieser Bewegung lassen sich folgendermassen zusammen fassen:
- Helle(re) Röstungen: Nur so und dadurch bleiben typische Aromen der Kaffeebohne erhalten, die in der Enzymatik angelegt sind. Diese bilden sich während des Wachstums einer Kaffeepflanze, geprägt von Boden und Klima. Dazu gehören florale, fruchtige und krautartige Aromen. Durch die Röstung werden diese Aromen erst herausgebildet. Gleichzeitig entsteht durch den Röstvorgang und die Karamellisierung des im Kaffee enthaltenen Zuckers eine zweite Gruppe von Aromen, die mit „Sugar Browning“ umschrieben wird. Diese sind nussig, schokoladig und karamellig. Wird ein Röstvorgang lange durchgeführt, schlagen die „Sugar Browning“-Aromen im Kaffee immer mehr durch und überdecken schliesslich die enzymatischen Aromen. Das macht zum Teil Sinn, wenn der Ausgangskaffee im Ursprungsland nicht sauber aufbereitet wurde, überdeckt man doch durch dunkle Röstungen störende Aromen und Fehler. Im Falle von Spitzenkaffees ist es jedoch tragisch, da diese einige viel komplexere Geschmacks-Kapitel zu erzählen haben, als immer nur Schokolade, Nuss und Karamell. (Kleiner Nebensatz: Kaffees, die es im Supermarkt zu kaufen gibt sind fast durchweg dunkel geröstet. Aromen der Enzymatik sind uns im Geschmackserleben von Kaffee oft fremd. – Oder haben sie im Kaffee schon mal Waldfrüchte oder Jasmin geschmeckt? Gibt es alles…)
- Frische und Saisonalität: Kaffee ist ein Frischeprodukt! Einerseits sollte vom Zeitpunkt der Röstung bis zum Verbrauch nicht zu viel Zeit verstreichen. Deshalb lohnt der Blick auf das Röstdatum beim Kauf eines Kaffees, wenn dieses überhaupt aufgedruckt ist. Andererseits kann der Röster auch auf die Zeit zwischen der Ernte des Kaffees und Röstung achten. In den verschiedenen Kaffeeanbauregionen wird zu unterschiedlichen Zeiten geerntet, verarbeitet und getrocknet. Man muss Kaffee nicht unbedingt sofort verarbeiten, es empfiehlt sich sogar, den Kaffee etwas liegen und zur Ruhe kommen zu lassen. Und doch haben Kaffees ihre beste Zeit in der Regel in den 2-6 Monaten nach der Ernte, trotz der heute bestehenden Möglichkeiten wie vakuumierten Verpackungen, usw.
- Sorgfältige Auswahl der Rohkaffees und direkter Kontakt zum Kaffeeproduzenten ist ein weiteres wichtiges Thema, welches in diesem Blog schon an anderer Stelle besprochen wurde und weiter besprochen wird.
- Röstung: Eine schonende, langsame Röstung trägt zu einer positiven Aromaentwicklung und zum Abbau von unerwünschten Säuren bei. Getrennte Röstung (im Falle von Kaffeemischungen) und angepasste Profile je Kaffee beeinflussen ebenfalls den Charakter. Kaffeebohnen haben je nach Art und Anbauregion unterschiedlichen physikalische Eigenschaften, härtere oder weichere Struktur und Oberfläche, was den Röstprozess beeinflusst.
Im Rahmen des Kleinröstertreffens fand eine Degustation von je vier Kaffees aus Kenia, Kolumbien, Äthiopien und El Salvador statt. Jeweils Spitzenkaffees die den oben genannten Eckpfeilern entsprechen. Die Kaffees waren interessant und wussten zu überzeugen. Mindestens eben so spannend und als vielleicht wegweisend stellte sich jedoch die Möglichkeit der Vernetzung dar. Nahe liegend ist die Frage, ob die verschiedenen Röster nicht in einem Konkurrenzverhältnis zu einander stehen und um die gleichen Kaffeetrinker werben. Zum Teil mag das auch so sein. Auf der anderen Seite entstehen durch kooperative Zusammenarbeit grosse Möglichkeiten.
- Gemeinsamer Import von Kaffee macht Sinn, da oft nur so Mindestliefermengen erreicht werden.
- Veranstaltungen können gemeinsam organisiert werden.
- Es ist im Interesse aller, dass der Konsument weiter für Kaffee-Qualität sensibilisiert wird.
- Nur ein kleiner Teil des Marktes ist bisher auf Spitzenkaffee konzentriert (weniger als 5 %). Gemeinsam kann hier noch viel erreicht werden.
- Gemeinsame Investition und Darlehen können Kaffeebauern helfen, ihre Produktion zu steigern und zu verbessern. Gemeinsame Verantwortungsübernahme von Kleinröstern ist auch hier wünschenswert.
- Von Seminaren, Degustationen und Weiterbildungen können alle profitieren. Internationale Kaffeeexperten können eingeladen werden.
- Gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit ist eine weitere Möglichkeit. Apropos: das Kleinröstertreffen hat DRS 1 zu einem Beitrag veranlasst.
In diesem Sinne: es gibt viel zu tun und viele Möglichkeiten.