Klimaschutzberater des Bundes fordern eigenständige Klimapolitik

Die Schweiz soll ihre Klimapolitik nicht an der EU ausrichten, sondern selbst und ambitiöser gestalten. Das verlangt das wissenschaftliche Beratungsorgan zum Klimawandel (OcCC). Langfristig soll die Schweiz ganz von CO2-Emissionen wegkommen.

"Vision Zero" gefordert: Fertigstellung des Windkraftwerks bei Andermatt 2004 (Bild: sda)

Die Schweiz soll ihre Klimapolitik nicht an der EU ausrichten, sondern selbst und ambitiöser gestalten. Das verlangt das wissenschaftliche Beratungsorgan zum Klimawandel (OcCC). Langfristig soll die Schweiz ganz von CO2-Emissionen wegkommen.

Das sogenannte Beratende Organ für Fragen der Klimaänderung des Bundes (OcCC) hat kurz vor der am Montag beginnenden internationalen Klimakonferenz in Doha seine „politische Vision“ für die Schweizer Klimaziele und Emissionsreduktion präsentiert.

Diese Vision ist ambitiös: Da die Schweiz die Herausforderungen des Klimaschutzes besser meistern kann als andere Länder, soll sie eine Reduktion des CO2-Ausstosses bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 ins Auge fassen, empfiehlt das Organ.

Danach solle die Schweiz die „Vision Null“ anstreben – also gar keine CO2-Emissionen mehr verursachen, sagte OcCC-Präsidentin und CVP-Nationalrätin Kathy Riklin (ZH). Statt auch beim Klimaschutz die EU-Regelungen nachzuvollziehen, soll sich die Schweiz mutig zeigen und eine Vorreiterrolle einnehmen.

Vision Zero ist machbar

Die Ökonomen und Naturwissenschaftler des Gremiums betonten, dass das Null-Emissions-Ziel erreichbar sei. Auch wenn dafür Denkmuster und Verhaltensweisen grundsätzlich geändert werden müssten, schätzt das OcCC den mit dem Klimaschutz verbundenen Einkommensverlust „im bescheidenen Bereich von 0,36 bis 2,5 Prozent“.

Nicht berücksichtigt in dieser Rechnung sind zudem die Kosten für Schäden, die der fortschreitende Klimawandel verursachen kann. Die volkswirtschaftlichen Kosten seien somit relativ gering, sagte Lucas Bretschger, Volkswirtschafter an der ETH Zürich.

Andreas Fischlin, Systemökologe an der ETH Zürich, wies darauf hin, dass es deutlich weniger koste, den Klimawandel zu vermeiden als sich daran anzupassen. Die bekannten Fakten zum menschengemachten Klimawandel hätten sich in den vergangenen Jahren weiter bestätigt.

Strukturwandel in Kauf nehmen

Als Instrument für den Klimaschutz empfiehlt die OcCC vor allem eine Lenkung über höhere Preise. Wenn die Energie teurer werde, würde die Wirtschaft auf effizientere Produktion umstellen. Zudem soll die Energiewende, die auch eine höhere CO2-Abgabe vorsieht, möglichst rasch vollzogen werden. Weiter empfiehlt das OcCC strengere Vorschriften und die Förderung effizienter Technologien.

Mit diesen Massnahmen geht aber auch ein Strukturwandel einher. Die Experten räumen ein, dass energieintensive Branchen es in einer Schweiz mit Vorreiterrolle im Klimaschutz schwer hätten. „Wir dürfen aber nicht an jeder Fabrik festhalten“, sagte Bretschger. Stattdessen soll das Land den Vorteil ausnutzen, als erstes gehandelt zu haben und sich auf neue Stärken konzentrieren.

Um stärkeren Rückhalt für eine ambitiöse Klimapolitik zu gewinnen, sei stärker zu betonen, wer davon wie betroffen sei, sagte Riklin. Bleibe alles beim Alten, gäbe es viele Verlierer. „Vom Status quo profitieren dagegen nur wenige.“ Vom Klimawandel ist die Schweiz nicht nur direkt, sondern auch indirekt, etwa durch Nachfrageänderungen im Ausland oder Migrationsströme betroffen.

Schwierige Verhandlungen

Die internationale Gemeinschaft hat sich die Begrenzung der Klimaerwärmung auf zwei Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zum Ziel gesetzt. Auch die Schweiz verpflichtete sich, ihren Beitrag dazu zu leisten. Laut OcCC sind aber nicht nur die internationalen Bemühungen, sondern auch die Klimapolitik der Schweiz bis 2020 ungenügend.

Noch immer sei es aber möglich, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, sagte Fortunat Joos, Klimaforscher an der Universität Bern. Dazu wären rasche Reduktionen der CO2-Emissionen nötig. „Die Tür schliesst sich jedoch dramatisch schnell.“ Er räumte auch ein, dass die internationalen Verhandlungen nicht optimistisch stimmten.

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