Klimawandel: Die Schweiz trifft es besonders hart

Häufigere Hochwasser, Hitzewellen, sommerliche Wasserknappheit und vermehrter Schädlingsbefall. Die Folgen des Klimawandels für die Schweiz und mögliche Handlungsfelder fasst ein neuer Bericht des Forums ProClim der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz zusammen.

Der Klimawandel hinterlässt in den Alpen zunehmend Spuren. Um ein Abschmelzen des Eises zu verhindern, ist der Ausläufer des Rhonegletschers oberhalb von Gletsch am Furkapass im letzten Jahr mit Planen abgedeckt worden. (Archivbild)

(Bild: sda)

Häufigere Hochwasser, Hitzewellen, sommerliche Wasserknappheit und vermehrter Schädlingsbefall. Die Folgen des Klimawandels für die Schweiz und mögliche Handlungsfelder fasst ein neuer Bericht des Forums ProClim der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz zusammen.

In der Schweiz ist der Klimawandel deutlich zu spüren: Seit 1850 stieg die Jahresdurchschnittstemperatur hierzulande um 1,8 Grad Celsius – rund doppelt so viel wie im globalen Mittel (etwa 0,85 Grad). Die Folgen zeichnen sich bereits ab: Die Gletscher schwinden, die Schneefallgrenze steigt, es kommt häufiger zu extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen, Starkniederschlägen und Hochwassern.

Eine umfassende Übersicht über die Folgen des fortgesetzten Klimawandels für die Schweiz hat ein Netzwerk von über 70 Klimaforschern und -expertinnen sowie 40 Gutachtern im Bericht «Brennpunkt Klima Schweiz» zusammengestellt. Am Montag wurde er in Bern präsentiert.

Herausforderungen für die Schweiz

Unter der Leitung von ProClim, des Forums für Klima und globalen Wandel der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT), sammelten die Forschenden die für die Schweiz relevanten Daten aus dem letzten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC. Diese ergänzten sie um neuere Studien zu Auswirkungen des Klimawandels auf den Alpenraum.

Der rund 200 Seiten umfassende Bericht beleuchtet die Herausforderungen, denen sich speziell die Schweiz im Zuge des Klimawandels gegenüber sieht – von Landwirtschaft, Tourismus, Städteplanung bis zur Gesundheit. Zudem zeigt er Handlungsfelder und Chancen auf, die sich aus der Abkehr von fossilen Brennstoffen ergeben.

Emissionen auf Netto Null

Mit dem Klimaabkommen von Paris hat sich die Staatengemeinschaft geeinigt, die globale Erwärmung auf höchstens zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dafür müssen die Treibhausgasemissionen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts global auf Netto Null gesenkt werden.

Was das Verfehlen des Zwei-Grad-Ziels für die Schweiz bedeutet und wie man mit bisherigen und künftigen Auswirkungen des Klimawandels besser umgehen könnte, haben die ProClim-Experten mit Unterstützung des Bundesamts für Umwelt (Bafu) und des Beratenden Organs für Fragen der Klimaänderung OcCC erarbeitet.

Zum Beispiel, wie die Städteplanung sich auf künftig vermehrte Hitzewellen einstellen kann, um Wärmeinseln in Städten zu mildern. Die Hitzewelle im Sommer 2003 führte Schätzungen zufolge zu rund 1000 vorzeitigen Todesfällen in der Schweiz.

Mit solchen extremen Wetterereignissen ist im Zuge des Klimawandels häufiger zu rechnen. Durch das Schmelzen des Permafrosts kommt es zu mehr Steinschlägen und Erdrutschen. Mit dem Rückgang der Gletscher geht zudem ein wichtiger Wasserspeicher zunehmend verloren, was Alternativen nötig macht, um die zunehmende sommerliche Trockenheit zu überbrücken.

Der Skitourismus wird leiden

Besonders hart wird es den Tourismus treffen: Bis Ende des Jahrhunderts werde sich die Schneesaison um vier bis acht Wochen verkürzen und die Schneefallgrenze um 500 bis 700 Meter höher liegen als heute, erklärte Klimaforscher Reto Knutti von der ETH Zürich in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Der Mitautor des ProClim-Berichts prognostiziert schwierige Zeiten für viele Skigebiete in mittleren Lagen, beispielsweise im Berner Oberland.

Aber auch die Landwirtschaft wird sich auf grosse Herausforderungen einstellen müssen. Neben der Wasserknappheit werden Pflanzenkrankheiten zum Problem. Schädlinge können sich wegen der wärmeren Temperaturen länger vermehren und stärker ausbreiten. Der Anbau von Winterweizen und Kartoffeln wird durch die Erwärmung erschwert.

Globales und lokales Handeln nötig

«Wir müssen handeln», betonte OcCC-Präsidentin Kathy Riklin laut einer Mitteilung der Akademien. Der Klimawandel werde die Schweiz nicht kalt lassen. Zwar müssen die CO2-Emissionen global gesenkt werden, es brauche aber auch das Engagement lokaler Akteure. Besonders auch, um Anpassungen an die veränderten Bedingungen vorzunehmen.

Die Empfehlungen der Forscher und Gutachterinnen reichen von der Förderung energieeffizienter Technologien über bessere Raumplanung, um Pendlerwege zu verkürzen, bis hin zu klimabewusstem Konsum. «Dieser Bericht setzt einen neuen Massstab. Er ist ein ‹Must› für jede Person, die sich mit der Zukunft der Schweiz auseinandersetzt», sagte der Berner Klimaforscher Thomas Stocker am Montag an einem Medienanlass von ProClim in Bern.

Der Weltklimavertrag, den die Staatengemeinschaft an der Klimakonferenz in Paris 2015 ausgehandelt hatte, ist letzten Freitag in Kraft getreten, nachdem er von 193 Staaten unterzeichnet und von 100 ratifiziert wurde. Die Schweiz hat das Abkommen zwar im vergangenen April unterzeichnet, aber bisher noch nicht ratifiziert.

Am Montag beginnt zudem die erste Klimakonferenz nach dem historischen Pariser Abkommen in Marrakesch. Thema soll die Umsetzung der in Paris 2015 vereinbarten Ziele sein.

Nächster Artikel