«Klingt blöd, aber es war unser bestes Spiel»

Frankreichs Nationalmannschaft zieht zum dritten Mal im Abstand von jeweils 16 Jahren zu Hause in einen EM-Final ein. Auch weil Deutschland auf dem Zahnfleisch ging.

Football Soccer - Germany v France - EURO 2016 - Semi Final - Stade Velodrome, Marseille, France - 7/7/16 Germany head coach Joachim Low REUTERS/John Sibley Livepic

(Bild: Reuters/John Sibley)

Frankreichs Nationalmannschaft zieht zum dritten Mal im Abstand von jeweils 16 Jahren zu Hause in einen EM-Final ein. Auch weil Deutschland auf dem Zahnfleisch ging.

Mats Hummels gesperrt, Sami Khedira und Mario Gomez verletzt, Bastian Schweinsteiger angeschlagen. Und dann verletzte sich im Spiel auch noch Jerôme Boateng, der derzeit wohl beste und dominanteste Innenverteidiger. «Ja, es fehlten uns einige wichtige Spieler», hielt Deutschlands Trainer Joachim Löw nach dem 0:2 gegen die Franzosen fest und verwies auf den (zu) vollen Terminkalender der Fussballer, der durch die Aufstockung der EM noch weiter strapaziert wurde.

» Griezmann, der Matchwinner – der Bericht und die Bilder vom Halbfinal in Marseille

Deutschland ging an der EM zusehends auf dem Zahnfleisch. Das hielt den Weltmeister aber nicht von einer starken Leistung gegen Frankreich ab. Wäre die Hand von Bastian Schweinsteiger kurz vor der Pause nicht zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, das Spiel hätte womöglich eine andere Wendung genommen. Toni Kroos meinte nicht zu Unrecht: «Wir haben unser bestes Spiel an der Euro gemacht. Klingt vielleicht blöd, wenn man 0:2 verloren hat. Aber ich kann niemandem von der Mannschaft etwas vorwerfen.»

» Alle Endspiel der Europameisterschaften seit 1960 im Überblick

Kroos‘ Teamkollegen schätzten den Auftritt ähnlich ein. Manuel Neuer befand: «Ich will nicht sagen, dass wir die bessere Mannschaft waren, aber 2:0 für Frankreich ist kein gerechtes Ergebnis für dieses Spiel.» Teammanager Oliver Bierhoff sah, dass die Deutschen «mehr Spielanteile hatten». Und Löw sagte: «Wir haben ein klasse Spiel gemacht. Die Mannschaft ist dominant aufgetreten, hat die Franzosen in die eigene Hälfte zurückgedrängt. Klar, wir haben kein Tor geschossen, und das ist enttäuschend. Aber ich kann keinem einen Vorwurf machen. Die Mannschaft hat bravourös gekämpft.»

«Unsere EM war gut – trotz allem»

So verabschiedeten sich die Deutschen erhobenen Hauptes von der EM. «Unsere EM war gut − trotz allem. Wir sind enttäuscht, aber ich glaube, dass wir ein gutes Turnier gespielt haben», urteilte Löw. Und Neuer sagte: «Es wäre eine Katastrophe, wenn wir hier untergegangen wären. Aber das war nicht der Fall», so Neuer.

Der Weltmeister überliess die Bühne den «Bleus» und dem Doppeltorschützen Antoine Griezmann, der jenes offensive Element verkörpert, das den Deutschen an der EM wohl fehlte und dem die Auszeichnung zum besten EM-Torschützen nach sechs Treffern nicht mehr zu nehmen sein dürfte. Und Löw war überzeugt, dass Frankreich am Sonntag im Final «auch Portugal bezwingen wird».

Ja, die Franzosen «dürfen weiter träumen» (Matchwinner Griezmann). Und die Chancen stehen gut, dass sie eine bemerkenswerte Serie fortsetzen können: jene der EM-Titelgewinne im Abstand von jeweils 16 Jahren, immer im eigenen Land. 1984 schlug die «Equipe Tricolore» um Michel Platini im Final Spanien 2:0, 2000 bezwang sie Italien 2:1 nach Verlängerung dank dem Golden Goal von David Trezeguet. Und 2016? Sorry, Portugal, aber der Gastgeber hat den Titel mehr verdient.

* Wiederholungsspiel | ** nach Golden Goal
Alle Endrunden im Detail bei wikipedia
Die Endspiele der Fussball-Europameisterschaften

Jahr

Austragungsland

Finalbegegenung

Resultat

1960 Frankreich Sowjetunion-Jugoslawien 2:1 n.V.
1964 Spanien Spanien–Sowjetunion 2:1
1968 Italien Italien–Jugoslawien 1:1 n.V | 2:0 *
1972 Belgien BR Deutschland–Sowjetunion 3:0
1976 Jugoslawien Tschechoslowakei–BR Deutschland 2:2 n.V, 5:3 i.E.
1980 Italien BR Deutschland–Belgien 2:1
1984 Frankreich Frankreich–Spanien 2:0
1988 Deutschland Niederlande–Sowjetunion 2:0
1992 Schweden Dänemark–Deutschland 2:0
1996 England Deutschland–Tschechien 2:1 n.V. **
2000 Belgien/Niederlande Frankreich–Italien 2:1 n.V. **
2004 Portugal Griechenland–Portugal 1:0
2008 Österreich/Schweiz Spanien–Deutschland 1:0
2012 Polen/Ukraine Spanien–Italien 4:0
2016 Frankreich Portugal–Frankreich  

Nächster Artikel