Klubchef Ancillo Canepa über die neue FCZ-Realität

Seit 81 Tagen arbeitet der FC Zürich in der Challenge League an der Kurskorrektur. Ancillo Canepa äussert sich vor dem Europa-League-Auftakt in Villarreal zum ungewohnten Alltag der Zürcher.

Seit 81 Tagen arbeitet der FC Zürich in der Challenge League an der Kurskorrektur. Ancillo Canepa äussert sich vor dem Europa-League-Auftakt in Villarreal zum ungewohnten Alltag der Zürcher.

Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda schildert der Klubchef, wie er die sportliche Degradierung des 12-fachen Meisters verarbeitet hat.

Mehr als ein einjähriges Gastspiel kann sich der FC Zürich in der Challenge League mutmasslich nicht erlauben?

«Den Begriff Gastspiel würde ich in unserem Zusammenhang so nicht verwenden. Es gibt sicherlich nichts daran zu rütteln, dass der sofortige Wiederaufstieg unser Ziel ist. So planen und verhalten wir uns ja auch.»

Wie gut hat sich der Klub vom sportlichen Kollaps im letzten Mai erholt?

«Vielleicht ist es auch eine Qualität der Vereinsführung, dass es gelungen ist, den ersten Schock relativ gut wegzustecken, den Blick unmittelbar danach wieder in die Zukunft zu richten, sofort wieder die Arbeit aufzunehmen – im personellen Bereich, im Stab, in der Kaderplanung.»

Die Zuschauer waren aufgebracht, Spieler wollten weg, Kritik prasselte auf Sie nieder. Wie haben Sie den Exodus abwenden können?

«Wir reagierten nie panisch und haben relativ unaufgeregt unter sehr schwierigen Bedingungen die Ruhe bewahrt. Alle Beteiligten packten mit an und bereiteten die neue Saison extrem pflichtbewusst vor. Der FCZ hat rasch wieder Tritt gefunden, weil wir die Realität umgehend akzeptierten. Andere Vereine wären vielleicht im Chaos versunken, wir nicht.»

Die Schockwelle ist definitiv überstanden?

«Die Schockwelle ist mit Sicherheit überwunden. Aber es ist zu früh, um eine Bilanz zu ziehen. Aber ich bin zumindest sehr zufrieden, wie die Mannschaft in die Spiele gegangen ist, wie sie die Aufgabe mit einem Fighting-Spirit angenommen hat. Ihre Haltung und Einstellung gefallen mir, im spielerischen Bereich gibt es Luft nach oben. Und sicherlich überwiegt im Moment die Zuversicht, direkt in die Super League zurückkehren zu können.»

Was passierte unmittelbar nach dem Fall in die Zweitklassigkeit?

«Ganz unvorbereitet hat uns das Fiasko nicht getroffen. Im Frühling hatten sich die Probleme bereits abgezeichnet. Schon am zweiten Tag nach der Relegation hielten wir die erste Strategiesitzung mit dem Verwaltungsrat ab.»

Sie wurden verbal heftig attackiert. Stand für Sie als Mehrheitsaktionär nie zur Debatte, den Klub zu verkaufen?

«Nach mir die Sintflut? Nein, das würde nicht meinem Charakter entsprechen. Ich erhalte zwar regelmässig Anfragen, aber ich bin nach wie vor mit einem grossen Verantwortungsbewusstsein Präsident dieses Klubs. Zusammen mit meiner Frau bin ich für den FCZ sieben Tage pro Woche unterwegs.»

Sie haben früh signalisiert, auf zweithöchster Ebene mit einem Super-League-Etat fortzufahren.

«Wir haben vor der Aufgabe grössten Respekt. Überheblichkeit wäre grobfahrlässig. Die Qualität der Liga ist gut, sie hat sich seit der Reduktion auf zehn Teams verbessert. Der Hälfte der Liga attestiere ich das Potenzial für die oberste Kategorie, der Unterschied zwischen einem Spitzenteam der zweithöchsten Klasse und einem mittleren Super-League-Team ist minim.»

Der FCZ hat seinen Aufwand nicht gedrosselt. Sie finanzieren einen Apparat, der eine zweistellige Millionensumme verschlingt. Wie lange können Sie sich diesen Effort und den aktuellen Umständen leisten?

«Es macht prinzipiell wenig Sinn, den Aufstieg zum Ziel zu erklären, dann aber den Betrieb zu reduzieren, um ihn ein Jahr später wieder anheben zu müssen. Die Strukturen für ein erfolgreiches Schaffen sind vorhanden. Sollten wir trotzdem scheitern, werden wir die Strategie aber neu definieren müssen.»

Befürchteten Sie trotz des hohen Aufwands, dass der Mannschaft die noch vor kurzem tiefe Verunsicherung zu schaffen machen könnte?

«Nein, ich hatte keine Angst, weil wir sofort die Rahmenbedingungen für eine gute Saison geschaffen hatten. Der Abstieg gab uns die Möglichkeit, ein weitreichendes Change-Management durchzuführen. Wir wechselten den gesamten Betreuerstab aus – den Cheftrainer, den Assistenten, den Torhütertrainer, den Physio, die medizinische Abteilung. Im Gegenzug engagierten wir die richtigen Leute, die ganz bewusst mit grossem Herzen das Projekt mitgestalten wollen. Sie trugen einen neuen Spirit in das Team. Das gilt auch für die neu verpflichteten Spieler. Auch der neue Leiter Sport (Thomas Bickel) war ein wichtiger Entscheidungsträger in diesem Prozess.»

Ist der Absturz mit all seinen negativen Begleiterscheinungen dennoch auch als Chance zu begreifen, wieder zur Besinnung zu kommen, die teilweise aufgeheizte Atmosphäre zu beruhigen, generell etwas abzukühlen?

«Es ist bestimmt ein Moment der Selbstreflexion. Und klar, wie bereits erwähnt, gab es Raum und Gelegenheiten, einen Prozess der Veränderung anzustossen. Wir sind nach dem Abstieg über die Bücher gegangen, noch sind nicht alle Pendenzen erledigt. Wir machen uns permanent Überlegungen – auch im Bereich der Academy.»

Im FCZ-Umfeld fällt vermehrt der Name Peter Knäbel. Ist eine Zusammenarbeit mit dem früheren SFV-Direktor und HSV-Sportchef denkbar?

«Wir sind nicht mehr in einer Notfallphase. Die Brände sind gelöscht. Personell sind wir in allen Bereichen gut bestückt. Dass es mittelfristig noch Anpassungen geben kann, schliesse ich nicht aus. Im Zusammenhang mit einem externen Berater gab es Gespräche, aber die Zeit drängt nicht. Wir sind im Dialog. Die Idee ist da, jemanden ohne Stallgeruch beizuziehen. Peter Knäbel ist ein Topmann, der den Schweizer Fussball sehr gut kennt. Im Moment ist aber nichts spruchreif.»

Die Plattform Zürich ist nach wie vor eine mit internationaler Ausstrahlung. Welche Bedeutung messen Sie der Europa League zu? Sehen Sie den Wettbewerb als Wertsteigerung für das Team?

«Ich habe primär die sportlichen Anreize im Blick. Jeder Schweizer Klub arbeitet zwölf Monate lang dafür, sich für den Europacup zu qualifizieren. Für mich ist das internationale Geschäft nie eine Zusatzbelastung, im Gegenteil. Die Freude überwiegt, und gewisse Ambitionen sind angebracht.»

Konkret?

«Mit angezogener Handbremse werden wir sicher nicht auftreten. Wir sind und bleiben zielorientiert – auch in der Europa League. Der Aufstieg hat Priorität, keine Frage, aber wir gehen sicher nicht mit einer B-Elf, sondern mit der gebührenden Seriosität an den Start.»

Denken im Klub alle gleich?

«Jeder ist sich bewusst, dass wir auch eine gewisse Verpflichtung gegenüber dem Schweizer Klubfussball haben. Es geht um die Visitenkarte aller, um Punkte für das UEFA-Ranking. Diese Spiele betrachten wir als hochgradig ernsthafte Angelegenheit – das sieht auch der Trainer so.»

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