Dass die Vorlage zum Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) nur so knapp angenommen wurde, überrascht die Kommentatoren der Schweizer Zeitungen. Sie fordern nun, den Rahmen für den Service public abzustecken und mahnen zugleich vor zu viel politischer Einflussnahme.
«Das ist eine Ohrfeige für die SRG! Die Radio- und TV-Gebühren sinken von 462 auf rund 400 Franken – und trotzdem haben die Schweizerinnen und Schweizer die Vorlage nur hauchdünn angenommen», schreibt der Blick am Montag.
«Das muss dem nationalen Mediengiganten, aber auch der Politik schwer zu denken geben. Beide müssen über die Bücher – und den Service public auf seinen Ursprung zurückführen», heisst es im Editorial der Nordwestschweiz. «Mit staatlich verordneten Gebühren sollen Sendungen produziert werden, die wichtig sind für das Land und die sich in der freien Wirtschaft nicht finanzieren lassen.»
Die Tribune de Genève wertet das Resultat als Zeichen eines starken Misstrauens gegenüber dem «Mammut», das in den Augen seiner Gegner an «Bürokratie und Übergewicht» zugelegt hat. Die Neuenburger Blätter L’Express/L’Impartial fordern daher, die SRG müsse «sich reformieren, ihre wuchernden Strukturen reduzieren, sich an die Erwartungen ihres Publikums anpassen und technologische Entwicklung genauso wie die Veränderung der Medienlandschaft berücksichtigen».
Umstrittener Abstimmungskampf
Dass im Abstimmungskampf weniger von der Anpassung des Gebühreninkasso die Rede war, sondern vielmehr der Service public ins Zentrum rückte, «dafür verantwortlich sind Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, und Bernhard Salzmann, sein Kommunikationsverantwortlicher», kommentiert watson. «Die beiden scherten sich keinen Deut um den eigentlichen Inhalt der Vorlage, sondern platzierten gebetsmühlenartig ihre kreuzfalschen Botschaften: Das neue RTVG schafft eine ‚Mediensteuer’».
Die Basler Zeitung hingegen nimmt weniger die Kampagnenführer als vielmehr die Politik ins Gebet und moniert in der Vorlage einen «Verfassungsbruch». Als vor sechs Jahren die Strategie zur Veränderung des RTVG definiert worden sei, «war von Anfang an klar, dass man eine Steuer anstreben und eine dafür eigentlich nötige Verfassungsabstimmung unter allen Umständen vermeiden wollte».
Als Verdienst des Referendums wertet es derweil der Tages-Anzeiger, dass die Politik sich der Servic-public-Frage überhaupt annehme. «Davor hat sie sich jahrelang dagegen gesträubt. Mit dem Ja zur Vorlage ist der Druck nun wieder weg. Doch das äusserst knappe Resultat dürfte auch so zu deuten sein, dass die Hälfte der Stimmenden unzufrieden ist mit dem Status quo. Der publizistische Auftrag der SRG muss angepasst werden.»
«Frisur zerzaust»
Die Romandie habe das neue RTVG gerettet, kommentiert der Quotidien jurassien. Doch: «Der Wind des Geschosses hat Doris Leuthard und all den Befürwortern dieser äusserst knapp angenommenen Vorlage die Frisur zerzaust.»
«Die SRG wird künftig mit härterem Gegenwind rechnen müssen», prophezeit die Neue Zürcher Zeitung. «Ende 2017 läuft die Konzession des nationalen Rundfunks aus. Da werden die Befürworter einer Einschnürung der SRG einhaken. Eine zähe Debatte ist zu erwarten.»
Dazu titelt die Zeitung 24 Heures: «Die echte Debatte beginnt in einer grossen Verwirrung». Denn der knappe «Etappensieg» erhitze nun die Diskussionen zusätzlich, was bei einem derart wichtigen Thema nicht förderlich sei.
Die Berner Zeitung nimmt Bundesrat und Parlament in die Pflicht, «die nun – endlich – ein medienpolitisches Konzept zu erarbeiten haben, das diesen Namen auch verdient. Das heisst: Sie müssen der SRG verbindliche Schranken setzen, ohne sie zu demontieren. Denn unbestritten ist, dass die SRG in vielen Belangen Hervorragendes leistet und damit breite Akzeptanz geniesst.»
Einen weiteren Bogen schlägt der Courier, wenn er hofft, dass die Debatte auch «die Vorzüge anderer Medien» miteinbeziehen möge, die «genauso unabdingbar sind wie die SRG für den nationalen Zusammenhalt und die Meinungsbildung».
Politiker haben Sendepause
Das St. Galler Tagblatt fordert, der Rahmen für die SRG müsse «in grosszügigen Pinselstrichen» skizziert werden. «Wenn es dann an die konkrete Ausgestaltung des Programms geht, haben die Politikerinnen und Politiker aber Sendepause.»
«Nicht sinnvoll wären detaillierte Vorschriften, was die SRG inhaltlich bieten soll», pflichtet der Kommentator des Bund bei. «Dem Service public etwa seichte Unterhaltung zu verbieten, führte nur zu höheren Werbeanteilen der Schweiz-Fenster privater Auslandsender. Ebenso wenig kann man der SRG ihre Online-Angebote untersagen. Nur dort kann sie mittelfristig die Jugend erreichen; ausserdem bietet die Internet-Übertragung ganzer Programme Einsparungen im Sinn der Gebührenzahler. Umso wichtiger wäre jetzt aber ein neuer Online-Deal zwischen SRG und privaten Medienhäusern, eine saubere Aufgabenteilung.»
«Wie auch immer die Antworten ausfallen werden, klar ist, dass die SRG ihren Nimbus als nationale Klammer verloren hat. Sie wird zeigen und dokumentieren müssen, weshalb Unterhaltungsformate oder Sportübertragungen nicht einfach Privaten zu überlassen sind (weil diese sich das gar nicht leisten können). Gleichzeitig muss sie viel Widerstandskraft gegen politische Einflussnahmeversuche entwickeln», schreibt die Südostschweiz. «Denn genau darum geht es der Anti-SRG-Allianz letztlich. Staatspolitisch wäre das verheerend.»