Nach Belinda Bencic starten heute Dienstag mit Roger Federer, Stan Wawrinka und Timea Bacsinszky auch die restlichen Schweizer ihr Abenteuer am US Open in New York.
Mit dem 28-jährigen Argentinier Leonardo Mayer (ATP 34) erhielt Federer zum Auftakt in sein 16. US Open zumindest vom Papier her das schwierigste Los, war Mayer doch der im ATP-Ranking am besten klassierte Spieler, der nicht Aufnahme in die Setzliste fand. Der 34-jährige Baselbieter sprach von einem Schock, hatte er doch nicht damit gerechnet, dass Mayer nicht gesetzt ist. Kurz vor der Auslosung hatten die beiden noch zusammen trainiert. «Das Training verlief so gut, dass wir nächste Woche gleich wieder gegeneinander spielen», twitterte Mayer und bewies damit Humor.
Erst zweimal traf Federer in der 1. Runde eines Grand-Slam-Turniers auf einen besser klassierten Spieler als den 1,91 m grossen Mayer, der die Rückhand einhändig schlägt. Zuletzt vor 15 Jahren in Wimbledon, als Federer dem Russen Jewgeni Kafelnikow unterlag. «Gegen Mayer zu spielen, ist eine Herausforderung», so Federer. Im ersten Duell im letzten Herbst in der 2. Runde von Schanghai war er erst nach fünf abgewehrten Matchbällen zum Sieg gekommen. «Es war definitiv einer der glückhaftesten Erfolge meiner Karriere.»
Nach den brillanten Auftritten in Cincinnati, wo er seinen 87. Turniersieg feierte, gehört Federer in New York einmal mehr zu den Mitfavoriten auf den Sieg, auch wenn er in Flushing Meadows zuletzt 2009 im Final gestanden hatte. «Er spielt vielleicht das beste Tennis seiner Karriere», sagte Topfavorit Novak Djokovic im Vorfeld des Turniers. Auch Pete Sampras, der wie Federer das US Open fünfmal gewann, traut dem Schweizer den Sieg zu. «Er ist noch immer fähig, alle zu schlagen. Aber es muss alles zusammenkommen, damit er es schaffen kann.»
Federer selbst schaut noch nicht zu weit voraus. Sein Fokus gilt seinem heutigen ersten Auftritt, der auch an seinem 64. Grand-Slam-Turnier in Folge von leichter Nervosität geprägt sein wird. «Du weisst nie, wie die Bedingungen genau sind und wie dein Gegner drauf ist.» Die Vorbereitung auf das vierte grosse Rendez-vous des Jahres verlief jedenfalls perfekt. Den sehr aggressiven Return, bei dem er bei zweitem Aufschlag des Gegners weit ins Feld rückt und mit dem er zuletzt die Tenniswelt verblüffte, trainierte Federer in der letzten Woche allerdings nur selten. «Wir werden sehen, wie oft ich ihn im Turnier anwenden werde.»
Im Gegensatz zu Federer gibt es bei Stan Wawrinka (ATP 5) und Timea Bacsinszky (WTA 14) Fragezeichen, was den Formstand betrifft. «Meine Form ist in Ordnung. Sie könnte besser, aber auch schlechter sein», sagte Wawrinka vor der Begegnung mit dem Spanier Albert Ramos-Viñolas (ATP 58). Der Romand steigt als klarer Favorit in das fünfte Aufeinandertreffen mit dem Spanier, hat er doch alle bisherigen Duelle für sich entschieden. Ein Selbstläufer werde die Partie aber nicht, Ramos-Viñolas habe ihn immer wieder vor Probleme gestellt. «Ich weiss aber, was es braucht, um bereit zu sein», so Wawrinka.
Optimistisch stimmt Wawrinka auch die Tatsache, dass er in den vergangenen beiden Jahren an Grand-Slam-Turnieren fast immer gut gespielt hat. «In Partien über drei Gewinnsätze bin ich am stärksten. Je härter ein Match, desto mehr bin ich fähig, mein Niveau zu steigern.» Mit Ausnahme des French Open 2014, als er in der 1. Runde gescheitert war, erreichte Wawrinka in den letzten beiden Jahren an den Major-Turnieren immer mindestens die Viertelfinals.
Für Timea Bacsinszky wäre eine Viertelfinal-Qualifikation etwas Aussergewöhnliches, da sie in New York bislang erst einmal die 3. Runde erreichte. Der fulminante Aufstieg der 26-jährigen Lausannerin ist zuletzt etwas ins Stocken geraten. An den Turnieren in Toronto, Cincinnati und New Haven scheiterte die Nummer 14 der Weltrangliste jeweils in der 1. Runde, der letzte Sieg auf der Tour liegt mittlerweile fast zwei Monate zurück. Beunruhigt ist Bacsinszky deswegen aber nicht: «Ich wusste, dass dies einmal passieren wird.»
Noch immer könne sie fast nicht glauben, was sie alles erreicht habe, so Bacsinszky, die in der ersten Jahreshälfte von Sieg zu Sieg geeilt war. Dass sie nun als Gesetzte an den Grand-Slam-Turnieren zu den Gejagten gehört, ist neu für sie, die vor einem Jahr noch als Nummer 78 nach New York gereist war. Gegen ihre diesjährige Startgegnerin Barbora Strycova (Tsch/WTA 42) hat sie beide Duelle verloren, dennoch ist Bacsinszky optimistisch. «Ich habe die letzte Woche hier sehr gut trainiert. Das Selbstvertrauen wird von Tag zu Tag grösser.» Ihre jüngste Baisse konnte ihrer positiven Einstellung nichts anhaben. Sie sei noch immer gleich glücklich wie nach ihren vielen Siegen.