In Koblenz stehen sich zwei Weltsichten gegenüber. Im Saal die Nationalisten, die vor Einwanderung und kultureller «Gleichmacherei» warnen. Draussen auf der Strasse die Vertreter der «offenen Gesellschaft».
Die europäischen Rechtspopulisten fühlen sich nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten gestärkt. Begleitet vom Protest von 5000 Demonstranten kamen ihre bekanntesten Vertreter am Samstag zu einer Tagung in Koblenz zusammen, um das europäische Wahljahr mit Abstimmungen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland einzuläuten.
Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry sagte, in den USA habe Trump «einen Weg aus einer Sackgasse» gewiesen – und «genauso wollen wir das für Europa tun». Die Chefin der französischen Partei Front National, Marine Le Pen, erklärte, einige der Punkte Trumps in seiner ersten Rede als Präsident zeigten Gemeinsamkeiten «mit dem, was wir sagen». Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders sprach von einem «patriotischen Frühling» in Europa.
Der Auftritt Petrys und Le Pens war der erste gemeinsame in Deutschland. Petry warf der Bundesregierung und den EU-Behörden vor, die Bürger einer «Gehirnwäsche» zu unterziehen. Die Freiheit des Individuums und die kulturellen Errungenschaften der europäischen Staaten seien bedroht.
Für «geistig-moralische Wende»
Technokraten und «Sozial-Ingenieure» würden behaupten, es sei ewiggestrig und unmodern, an seinen Sitten und Traditionen festzuhalten, «zumindest wenn man ein weisser Europäer ist», sagte die AfD-Vorsitzende unter dem Jubel der rund 1000 Anwesenden. Sie forderte eine «geistig-moralische Wende».
Ihr Ehemann, der nordrhein-westfälische AfD-Chef Marcus Pretzell, hatte das Treffen gemeinsam mit der EU-Parlamentsfraktion «Europa der Nationen und der Freiheit» (ENF) organisiert.
Kritik kam aus dem Bundesvorstand der AfD. Der Parteivorstand habe am Freitag beschlossen, keine Gemeinsamkeiten mit Parteien wie dem französischen Front National zu suchen, zitierte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) Jörg Meuthen, der die Partei gemeinsam mit Petry leitet. Er sagte: «Wir sind gut beraten, eine gewisse Distanz zum FN zu wahren, unter anderem wegen Marine Le Pens protektionistischer Wirtschaftspolitik.»
«Merkel muss weg»
Mehrfach skandierten die Kongressbesucher «Merkel muss weg» – beispielsweise als Wilders aufrief, bei der Bundestagswahl im September Frauke Petry statt Merkel zu wählen.
Gegen den Kongress protestierten auch Spitzenpolitiker der Bundestagsparteien, darunter SPD-Chef Sigmar Gabriel und die Grünen-Vorsitzende Simone Peter. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) forderte die Teilnehmer der Kundgebung zu Widerspruch gegen rechte Thesen auf: «Es ist Zeit, dass keiner mehr zuhause bleibt.»
Die Menschen sollten aufstehen für ein freiheitliches und friedfertiges Europa. Vor der Kongress-Halle sangen die Demonstranten die Europahymne «Ode an die Freude», begleitet von Mitgliedern der Rheinischen Philharmonie.
Gegen ein «braunes Europa»
Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn sagte, er wende sich gegen ein «braunes Europa». «Wir stehen hier für ein buntes, für ein offenes und für ein soziales Europa des 21. Jahrhunderts.» Minderheiten seien eine Bereicherung für die Gesellschaft und keine Last.
Die Rechtspopulisten hatten die Berichterstattung von ihrem Kongress eingeschränkt: Mehreren Medien war der Zugang vorab verwehrt worden.