Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse wechselt seine Spitze aus. Für Direktor Pascal Gentinetta übernimmt Chefökonom Rudolf Minsch interimistisch die Führung der Organisation. Präsident Rudolf Wehrli will sein Amt Ende August abgeben.
Wehrli, der unter anderem Manager in der Grossbank Credit Suisse und Vizepräsident des Chemiekonzerns Clariant gewesen war, hatte das Präsidium der Economiesuisse erst am vergangenen 1. Oktober von Gerold Bührer übernommen. Dieser hatte den Verband fünf Jahre lang geleitet hatte.
Offizieller Grund für seinen Rücktritt ist die zeitliche Belastung des Amtes. Eine Findungskommission beschäftigt sich nun mit seiner Nachfolge, wie es am Mittwoch hiess.
Der Ökonom Pascal Gentinetta war 2007 Direktor des Wirtschaftsdachverbands geworden. Er gibt seinen Posten wegen «unterschiedlichen Auffassungen» bezüglich der Strategie des Verbands ab.
Nach der Abstimmung über die Abzocker-Initiative des Schaffhauser Ständerats Thomas Minder für mehr Mitsprache von Aktionären bei Managergehältern war der Verband in eine Krise gerutscht. Economiesuisse hatte sich an die Spitze der Gegner der Initiative gestellt, der das Stimmvolk allerdings mit 67,9 Prozent Ja-Stimmen sehr deutlich zustimmte.
In der Folge wurden in den Medien Gerüchte herumgereicht, wonach es beim Verband zu einem Köpferollen kommen könnte. Economiesuisse dementierte dies, gab aber am 12. März bekannt, dass sich eine Arbeitsgruppe mit der Abstimmungsniederlage auseinandersetzten werde.
Für Online-Kommentare bezahlt
In ein negatives Licht war die Economiesuisse geraten, als bekannt wurde, dass ein Werbebüro Studenten für Online-Kommentare gegen die Initiative bezahlt hatte. Zudem verzichtete der Verband auf die Veröffentlichung eines Filmes von Star-Regisseur Michael Steiner, der auf dramatische Weise mögliche Folgen der Initiative für die Schweizer Wirtschaft dargestellt hätte.
Für Kontroversen sorgte Economiesuisse mit Präsident Wehrli auch, als dieser sagte, mehrere grosse Konzerne würden wegen der Stärkung von Aktionärsrechte, wie sie die Initiative wollte, ins Ausland ziehen.
Uneinigkeit über Definition von Swissness
Bereits vor der Abstimmung am 3. März hatte es allerdings Anzeichen um Streitigkeiten im Verband gegeben. Im Konflikt um das Label «Swiss Made» hatte Ende Februar der Schweizer Uhrenverband(Fédération Horlogére Suisse, FH) angekündigt, Economiesuisse verlassen zu wollen. Die Uhrenproduzenten wollten einen Anteil von 60 Prozent Schweizer Wertanteil in Produkten, dass diese als «Swiss Made» gelten dürfen, Economiesuisse war gegen eine verbindliche Regel.
Der Chef des grössten Schweizer Uhrenherstellers Swatch, Nick Hayek, übte damals auch fundamentale Kritik am Stil der Economiesuisse: Die Funktionäre des Wirtschaftsverbands seien abgehoben und hätten von den Problemen des Werkplatzes und der zahlreichen kleinen und mittelgrossen Unternehmen im Land wenig Ahnung. Kurze Zeit später sagte Hayek, Economiesuisse fehle es an Glaubwürdigkeit.
Für Schlagzeilen hatte im April auch eine Äusserung von Economiesuisse-Präsident Wehrli gesorgt, die von Politikern und Medien als Forderung nach einem Benzin-Literpreis von fünf Franken gedeutet wurde und zu Empörung im bürgerlichen Lager führte. Wehrli betonte daraufhin, er habe primär Gedankenspiele über die Kostenwahrheit im Verkehrswesen angestellt.