Konflikt zwischen Schutz und Nutzung von Landschaften spitzt sich zu

Der Bund will die Schutzziele für national bedeutende Landschaften genauer umschreiben. Die Naturschutzorganisationen begrüssen dieses Vorgehen. Doch sie wissen: Der Natur- und Heimatschutz gerät durch die Energiewende zunehmend unter Druck.

Die Churfirsten im Herbstkleid (Archiv) (Bild: sda)

Der Bund will die Schutzziele für national bedeutende Landschaften genauer umschreiben. Die Naturschutzorganisationen begrüssen dieses Vorgehen. Doch sie wissen: Der Natur- und Heimatschutz gerät durch die Energiewende zunehmend unter Druck.

Die Debatte dreht sich rund um das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN). Das Inventar umfasst derzeit 162 Objekte. Sie sind in den Augen des Bundes allesamt einzigartig und sollen deshalb erhalten bleiben. Zum Inventar gehört etwa das linke Bielerseeufer, oder auch die Gebirgslandschaft der Churfirsten.

Im Auftrag des Bundesrats wurden nun die Schutzziele für jedes Objekt präzisiert. Die Anhörung dazu endete am Freitagmorgen.

Die Naturschutzorganisationen nehmen die Revision, die bereits vor zehn Jahren aufgegleist worden war, grundsätzlich positiv auf. Für die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL) ist die neue Verordnung «eine klare Verbesserung gegenüber der rudimentären heutigen Version».

Dem Bundesrat sei es gelungen, die Schutzziele zu präzisieren, hält auch Pro Natura fest. Und die Organisation Helvetia Nostra schreibt, die Revision sei «wichtig und dringend».

Keine Verbesserungsvorschläge

Die Naturschützer äussern aber auch Kritik. «Die neue Verordnung enthält eine wunderbare Auflistung, es fehlen aber Verbesserungsvorschläge für jene Objekte, die bereits beeinträchtigt sind», sagte SL-Geschäftsleiter Raimund Rodewald zur Nachrichtenagentur sda.

Auch Pro Natura und Helvetia Nostra stören sich daran, dass mit dem überarbeiteten Inventar lediglich der Ist-Zustand beibehalten werde – es gelte aber, bereits begangene Sünden wiedergutzumachen. Für Rodewald drängt sich zudem eine Erweiterung des Bundesinventars auf.

Das Inventar wurde 1977 ins Leben gerufen. Seither wurde es drei Mal erweitert, zuletzt 1998. Die schützenswerten Landschaften bedecken 19 Prozent der Landesfläche.

Konflikt mit Energiewende

Der Natur- und Heimatschutz – und damit auch das Bundesinventar – sind in jüngster Zeit vermehrt unter Druck geraten. Der Grund: Die vom Bundesrat beschlossene Energiewende. Dafür braucht es neue Wasserkraftwerke, Windräder und Solaranlagen – wohl auch in geschützten Landschaften.

Denn Anlagen zur Energieproduktion sollen gemäss der «Energiestrategie 2050» von «nationaler Bedeutung» sein können. Eine solche nationale Bedeutung ist Voraussetzung, um die Schutzbestimmung des Inventars zu umgehen.

Dass die Interessen des Natur- und Heimatschutzes und jene der Stromwirtschaft künftig vermehrt aufeinanderprallen dürften, zeigen die Stellungnahmen aus der Strombranche: Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) fordert, dass auch in den Landschaften von nationaler Bedeutung eine «möglichst schonende Energienutzung» zugelassen wird.

Der Wasserwirtschaftsverband wiederum schreibt, dass die Umsetzung der Energiestrategie erheblich «erschwert oder verunmöglicht» werde, wenn das Bundesinventar wie vorgeschlagen präzisiert werde.

Parlament will Schutz lockern

Doch die Kraftwerkbetreiber können auf die Hilfe des Parlaments zählen. Dieses stimmte jüngst einer Motion der BDP-Fraktion zu. Der Vorstoss will den Bau von Wasserkraftwerken in Landschaften von nationaler Bedeutung erleichtern.

Die Umweltkommissionen der beiden Räte folgten zudem einer parlamentarischen Initiative von FDP-Ständerat Joachim Eder. Dieser will die Kompetenzen der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) beschränken. Die Kommission begutachtet Projekte, bei denen Objekte des Bundesinventars beeinträchtigt werden könnten.

In einem ihrer Gutachten kam die ENHK etwa zum Schluss, das geplante Solarkraftwerk am Ufer des Walensees verstosse wohl gegen die Schutzziele des Bundesinventars. Nach dem Willen Eders sollen die Gutachten der Kommission nur noch als unverbindliche Stellungnahmen dienen.

Landschaftsschutz plant Volksinitiative

Gegen die Lockerung des Natur- und Heimatschutzgesetzes formiert sich allerdings Widerstand: Mehrere Organisationen, darunter der Schweizer Heimatschutz, haben sich im vergangenen Jahr zur Alliance Patrimoine zusammengeschlossen. Die Vereinigung droht bereits mit dem Referendum.

Raimund Rodewald von der Stiftung Landschaftsschutz geht noch weiter: «Wir arbeiten an einer Volksinitiative.» Mit dem Volksbegehren soll der Schutz nationaler Schutzgebiete verstärkt werden.

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